Buntes Herbstlaub: Was steckt hinter Farbexplosion und Blätterrascheln?

Magischer Herbst
Grüne, gelbe, rote, braune Blätter in allen Übergangsphasen laden derzeit zu langen Waldspaziergängen ein, sorgen für stimmungsvolle Naturerlebnisse und kreative Inspirationen. Dem Zauber zugrunde liegt allerdings nichts Magisches: Zersetzung und Stofftransport sind für den Wandel verantwortlich. Der Alterungsprozess wird als Seneszenz bezeichnet, der letztliche Laubfall als Abszission. Schauen wir uns beides einmal genauer an:

Seneszenz – das letzte Kapitel Phänologie im Jahr

Genetisch gesteuert und abhängig von der verfügbaren Energie altern Laubblätter im Herbst. Sie nehmen immer weniger CO2 auf und stellen schließlich die Photosynthese ganz ein. Fallen die Blätter zu Boden, ist das über Fernerkundung messbar. Das sogenannte „Browning“, das braune Durchscheinen des Bodens durch den kahlen Baum, markiert das Ende des phänologischen Jahres. Aber warum werfen Laubbäume eigentlich ihre Blätter ab?

Laubabwurf – dreimal genial

Über Laubblätter verdunsten große Mengen Wasser, bei einer Buche beispielsweise etwa 300 bis 600 Liter pro Quadratmeter Blattfläche im Jahr. Die Wurzeln saugen das benötigte Wasser aus dem Boden– was im gefrorenen Zustand nicht mehr möglich ist. Der Baum würde vertrocknen. Durch das Abwerfen der Blätter wird dieser Wasserfluss gestoppt und der Baum kommt unbeschadet durch den Winter. Aber es gibt noch zwei weitere wichtige Vorteile, die der Laubfall mit sich bringt: Die in den Blättern angesammelten und gespeicherten Umweltgifte werden entsorgt und kahle Bäume halten der Schneelast besser stand.

Die Chemie der Herbstfarben

Die bunten Farben des Herbstwaldes sind das ganze Jahr über in den Blättern vorhanden, aber vom grünen Chlorophyll maskiert! Werden nun in den Zellen die Chloroplasten, die Speicherorte des Chlorophylls, zu Gerontoplasten umgewandelt, wird das Chlorophyll abgebaut. Dadurch werden die anderen Farbstoffe sichtbar. Carotinoide zeigen sich gelb-orange, und Anthocyane bringen rote Töne zum Vorschein – übrigens als Stressreaktion auf zu viel Sonnenlicht. Die roten Farbstoffe dienen als Schutzschild gegen intensive Sonnenstrahlung und sorgen dafür, dass der Abbau des Chlorophylls aus den sterbenden Blättern auch an kalten, sonnigen Herbsttagen stattfinden kann.

Wie funktioniert der Laubfall?

Wann genau ein Blatt schließlich vom Zweig fällt, ist von verschiedenen Dingen abhängig. Einerseits gibt es eine genetische Komponente für jede Art, aber auch Standortmerkmale wie Höhe, Temperatur, Tageslänge und Wind spielen eine Rolle. Durch die sinkende Verfügbarkeit von Licht und Wärme werden Phytohormone aktiviert, und am Ende des Blattstiels kommt es zu einem anatomischen Veränderungsprozess: Ein bildet sich ein Trenngewebe, in dem sich die Mittellamellen, Zellwände oder ganze Zellen auflösen. Das Eigengewicht reicht schließlich, damit das Blatt zu Boden fällt.

 

Dieser Artikel wurde im Herbst 2023 in der Flora-Incognita-App als Story angezeigt. In der App findest Du jederzeit spannende Informationen zu Pflanzen, Ökologie, Artenkenntnis, sowie Tipps und Tricks zum Pflanzenbestimmen. Schau‘ doch mal rein!

„Sonja Bernadotte-Preis für Wege zur Naturerziehung“ 2023 für Flora Incognita

Der „Sonja-Bernadotte-Preis für Wege zur Naturerziehung“ wird jährlich von der Deutschen Gartenbau-Gesellschaft 1822 e.V. (DGG) verliehen und ist als Auszeichnung für herausragende Leistungen für Wege zur Naturerziehung gedacht.
Der Preis soll den Stellenwert von Naturerziehung und Naturerfahrung bewusst machen, das Engagement für die Naturerziehung stärken und den Einsatz dafür finanziell unterstützen. Den Sonja-Bernadotte-Preis  im Jahr 2023 erhält die Pflanzenbestimmungs-App Flora Incognita. Das Kuratorium begründete seine Entscheidung damit, dass „Deutschlands beliebteste Pflanzenbestimmungs-App nicht nur von Laien geschätzt und millionenfach genutzt, sondern mittlerweile auch von Botaniker:innen eingesetzt und empfohlen wird.“ In der Erklärung für die Auswahl wurde insbesondere der hohe wissenschaftliche Anspruch und die Bedeutung als interdisziplinäres Citizen-Science-Projekt-hervorgehoben. „Sie ist ein exzellentes Beispiel für den sinnvollen und gewinnbringenden Einsatz von KI, für die Demokratisierung von Wissen und für moderne „Wege der Naturerziehung“, sowohl in der formellen Bildung von Kindern, Jugendlichen und Studierenden als auch für die informelle Erwachsenenbildung.“

Dr. Jana Wäldchen vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie Jena und Prof. Patrick Mäder von der Technischen Universität Ilmenau nahmen die Auszeichnung am 20. Oktober 2023 in Jüchen auf Schloss Dyck in Empfang.

Mehr Information: Sonja Bernadotte-Preis

Jana Wäldchen und Patrick Mäder nahmen den Sonja Bernadotte-Preis 2023 in Empfang.

Phänologie: Spätherbst – Vorbereitung auf den Winter

Laubblätter sorgen mit ihrer Oberflächenstruktur dafür, dass das Wasser, welches die Pflanzen über ihre Wurzeln aufnehmen, wieder verdunstet. Das Absterben der Blätter im Herbst sorgt also dafür, dass sie nicht vertrocknen, wenn der Frost das Wasser im Boden gefrieren lässt. Der Spätherbst stellt die letzte phänologische Jahreszeit vor der Vegetationsruhe dar und ist dann eingeläutet, wenn sich das Laub der Stiel-Eiche herbstlich verfärbt und viele andere Laubgehölze ihre Blätter abwerfen.

Laubfärbung Stiel-Eiche

Du findest Stiel-Eichen (Quercus robur) vom Norddeutschen Tiefland bis auf über 1000 Meter Höhe in den Alpen. Ihr Verbreitungsgebiet reicht weit über Mitteleuropa hinaus, bis in den Kaukasus. Nachdem die nun nicht mehr benötigten Chlorophylle abgebaut wurden und die anderen Pflanzenstoffe sichtbar werden (Carotinoide machen die Blätter gelb, rote Farbtöne entstehen durch Anthocyane, und braune Tönungen durch wasserlösliche Farbstoffe, die erst nach dem Absterben der Blätter auftreten), leuchtet herbstliches Eichenlaub in Gelb- und Brauntönen.

Blattfall Eberesche

Der Blattfall der Eberesche (Sorbus aucuparia) wird vom Deutschen Wetterdienst als weitere Leitphase für den Eintritt des Spätherbstes definiert. Die Laubblätter der Eberesche sitzen wechselständig an den Zweigen und sind klar in Blattstiel und Blattspreite gegliedert. Mit ihrer kräftig roten Herbstfärbung sind sie ein beliebter Blickfang. Die Früchte der Eberesche, die sogenannten Vogelbeeren, hängen oft den ganzen Winter hinweg in Büscheln am Baum, und sind in dieser Zeit eine wichtige Nahrung für Singvögel.“

Ein Hauch von Grün

Typisch für den Spätherbst sind auch zartgrüne Ackerflächen, denn auch der Aufgang des Wintergetreides dient als Marker für diese phänologische Jahreszeit. Winterweizen, welcher Mitte September ausgesät wird, keimt nach etwa 15-20 Tagen und zeigt nun die ersten grünen Triebe. Erst im Frühjahr setzt jedoch das Streckungswachstum ein und die Blätter entwickeln sich.

 

Dieser Artikel wurde im Herbst 2023 in der Flora-Incognita-App als Story angezeigt. In der App findest Du jederzeit spannende Informationen zu Pflanzen, Ökologie, Artenkenntnis, sowie Tipps und Tricks zum Pflanzenbestimmen. Schau‘ doch mal rein!

Blog-Banner, welches den Text "Neue Publikation verfügbar" enthält und blau-grüne Interpolationskarten von Deutschland, beschriftet mit "DWD" und "Flora Incognita". Die Karten sehen sich sehr ähnlich.

Phänologie-Monitoring mit Flora-Incognita-Pflanzenbeobachtungen

Bedeutung der Phänologie
Vor wenigen Tagen ist eine neue Publikation unserer Forschungsgruppe erschienen, die zeigt, dass die Pflanzenbeobachtungen, die über unsere App gesammelt wurden, traditionelle Initiativen zur Überwachung der Pflanzenphänologie unterstützen können. Warum ist das wichtig? Das Beobachten der Pflanzenphänologie hilft Wissenschaftler:innen beispielsweise dabei, zu verstehen, wie der Klimawandel auf Pflanzen wirkt. Verschieben sich Blühzeiträume aufgrund von veränderten klimatischen Verhältnissen, kann das für ökologische Zusammenhänge oder die Ausbreitung von Arten erhebliche Folgen haben. Traditionell werden die Phasen der Phänologie (z.B. Knospenaufbruch, Blattaustrieb, Blühbeginn und Blattfärbung) manuell durch geschulte Freiwillige aufgenommen – doch deren Anzahl nimmt stetig ab.

Traditionelle Phänologieüberwachung
In Deutschland wird das „offizielle“ Phänologie-Monitoring hauptsächlich vom Deutschen Wetterdienst (DWD) durchgeführt. Geschulten Beobachter:innen wird eine bestimmte „Station“ zugewiesen, die einem dedizierten Ort für die Beobachtung eines Baumes, Strauchs oder krautigen Pflanze entspricht. Die Anzahl dieser Stationen variiert je nach beobachteter Art. Das bedeutet, dass einige Arten mehr Stationen haben als andere. Während der Vegetationsperiode müssen die Beobachter:innen die von ihnen untersuchten Pflanzen mindestens zweimal pro Woche besuchen und den Tag notieren, an dem bestimmte Phäno-Phasen beginnen.

Prozessdiagramm, das zeigt, wie Pflanzenbeobachtungsdaten in Daten zum Blühbeginn umgewandelt werden und mit DWD (Deutscher Wetterdienst) Beobachtungsstationen für eine exemplarische Art in Beziehung gesetzt werden. (aus: Katal & Rzanny et al. 2023)

Prozessdiagramm, das zeigt, wie Pflanzenbeobachtungsdaten in Daten zum Blühbeginn umgewandelt werden und mit DWD (Deutscher Wetterdienst) Beobachtungsstationen für eine exemplarische Art in Beziehung gesetzt werden. (aus: Katal & Rzanny et al. 2023)

Aufbereitung von Flora-Incognita-Daten
Die Forschenden Negin Katal und Michael Rzanny entwickelten nun eine Möglichkeit, Flora-Incognita-Daten so zu verarbeiten, dass diese mit den beschriebenen DWD-Stationen vergleichbar werden: Sie identifizierten für verschiedene Arten die Standorte der DWD-Stationen und zogen einen 5 km großen Kreis um sie herum. Innerhalb dieses Kreises und eines bestimmten Höhenbereichs betrachteten sie alle Flora-Incognita-Beobachtungen dieser Art. Gab es mindestens 35 dieser Funde, wurde eine „Flora-Incognita-Station“ erstellt. Wenn diese nicht erreicht werden konnten, selbst nicht innerhalb eines zusätzlichen Puffers (in Schritten von je 1 km, bis zu 55 km), wurde an diesem Ort keine Flora-Incognita-Station gebildet.

Räumlich interpolierte Karten basierend auf den DWD- und Flora Incognita-Stationen für den Beginn der Blüte von Sambucus nigra und Taraxacum officinale in den Jahren 2020 und 2021. Die Farbskala zeigt den jeweiligen Tag im Jahr für den Blühbeginn in jeder Rasterzelle (aus: Katal & Rzanny et al. 2023).

Räumlich interpolierte Karten basierend auf den DWD- und Flora Incognita-Stationen für den Beginn der Blüte von Sambucus nigra und Taraxacum officinale in den Jahren 2020 und 2021. Die Farbskala zeigt den jeweiligen Tag im Jahr für den Blühbeginn in jeder Rasterzelle (aus: Katal & Rzanny et al. 2023).

Interpolation der Daten
Im nächsten Schritt wurde für jede dieser Flora-Incognita-Stationen der Blühbeginn in den Jahren 2020 und 2021 berechnet, und die Stationsdaten für ganz Deutschland interpoliert. Die so entstandenen Interpolationskarten zeigen für die meisten Arten ähnliche Ergebnisse wie die manuelle Dokumentation durch den DWD.

Fazit
Die Haupterkenntnis der Publikation ist, dass der Blühbeginn aus unseren Pflanzenbeobachtungen abgeleitet werden kann – zumindest für einjährige krautige Arten oder Sträucher mit auffälliger Blühphase. Damit können Flora-Incognita-Daten die traditionell gesammelten phänologischen Erhebungen großräumig, aber auch für eine Vielzahl neuer Arten, ergänzen. Dadurch können wir einen wertvollen Beitrag zur Dokumentation phänologischer Verschiebungen leisten, was unter anderem für die Dokumentation und das Verständnis des Klimawandels von großer Bedeutung ist.

Wir möchten uns bei Euch, den immer neugierigen Nutzer:innen, bedanken. Aus Euren Pflanzenbestimmungen entstand dieser Datensatz, und wir hoffen, ihr bleibt weiterhin motiviert, an Wegen und Wiesen, im Wald und am See, auf Bergen und am Strand Pflanzen zu entdecken und aufzunehmen.

Hier könnt Ihr das Paper lesen (nur auf Englisch):

Katal, N., Rzanny, M., Mäder, P., Römermann, C., Wittich, H. C., Boho, D., Musavi, T. & Wäldchen, J. (2023). Bridging the gap: How to adopt opportunistic plant observations for phenology monitoring Frontiers in Plant Science, 14.

doi: 10.3389/fpls.2023.1150956