Blüten unter der Lupe: Wärmeregulierung im Winter

Im Winter oder in kalten Habitaten wie Hochgebirgen ist eine optimale Blütentemperatur wichtig für eineerfolgreiche Fortpflanzung. Einige Pflanzen können in ihren Blüten aktiv Wärme produzieren, wie Helleborus foetidus mithilfe von Hefebakterien im Nektar (Herrera and Pozo, 2010). Aber das ist die Ausnahme. Für die meisten Pflanzen der kalten Regionen (oder Frühblüher) gilt, je mehr Wärme sie aus der Umwelt aufnehmen oder zumindest nicht verlieren können, umso besser. In dieser Story lernst Du, welchen Einfluss Eigenschaften wie Form, Farbe, Behaarung oder die Ausrichtung zur Sonne auf die Temperatur in der Blüte haben.

Glocken und Scheiben

Vielleicht hast Du Dich schon einmal gefragt, warum viele Frühblüher glockenförmige Blüten haben? Die Antwort ist: Glocken sammeln mehr Wärme ein als scheibenförmige Blüten. Hängende Glocken können Wärme aus der Bodenstrahlung aufnehmen und so im Inneren der Blüte 3-11 °C über der Umgebungstemperatur liegen (Kevan, 1989). Aufrechte Glocken, wie beispielsweise Enziane, bündeln Sonnenstrahlen, wenn sie in einem bestimmten Winkelbereich einfallen. In scheibenförmigen Blüten sind die Fortpflanzungsorgane der Umgebung direkt ausgesetzt und sitzen mittig, wo das meiste einfallende Licht der Blüte reflektiert wird. Aber auch die Blütenblätter spielen eine Rolle. In einem Experiment wurde in Blüten von Saxifraga oppositifolia der Temperaturüberschuss im Vergleich zur Umgebung um 70% reduziert, nachdem die Kelchblätter entfernt wurden (Kevan, 1970).

Mikro-Gewächshäuser

Eine weitere erfolgreiche Strategie ist das Ausbilden von „Mikro-Gewächshäusern“. Das sind beispielsweiseblasenförmige Strukturen aus durchscheinenden Hüllblättern, wie beim Kleinen Klappertopf (Rhinanthus minor), oder aus Kelchblättern wie bei Physalis. Diese filtern Licht im UV-Bereich, lassen aber längere Wellenlängen durch, wodurch die Luft im Inneren erwärmt wird. Ähnlich wie Blüten können aber auch hohle Stängel einen heizenden Effekt aufweisen, wenn die im Stängel eingeschlossene Wärme zu einem Anstieg der Innentemperatur führt (Kevan et al. 2018, 2019). Das kann die Entwicklung der unmittelbar darüber liegenden Blütenknospe fördern.

Ausrichtung zur Sonne (Heliotropismus)

Manche Pflanzen richten ihre Blüten im Tagesverlauf permanent so aus, dass sie der Sonne zugewandt sind. Insbesondere in kalten Regionen führt das zu einer effektiven Erwärmung der Blüte. Das kann Vorteile für die Pflanze mit sich bringen, beispielsweise durch erhöhte Temperaturen in den Fortpflanzungsorganen, schwerere Samen und mehr Besuche von Bestäubern. Viele Experimente versuchten bereits die Mehrwerte von Heliotropismus nachzuweisen, aber nicht in jedem Fall erfolgreich. (Van der Kooi, 2019).

Farbe

Dunklere Farben können mehr Strahlungsenergie absorbieren. Diese kann in der Blüte in Wärme umgewandelt werden, wodurch sich die Temperatur der Blüte erhöhen kann. In einer Reihe von Experimenten mit Plantago konnte eine enge Beziehung zwischen der Farbe der blütentragenden Ähre und ihrer Temperatur festgestellt werden. Individuen, die sich bei niedrigen Temperaturen entwickeln, bilden dunklere Rispen aus, die in voller Sonne 0,2-2,6 °C wärmer waren als die Vergleichsgruppe (Anderson et al., 2013). Eine andere Studie fand heraus, dass violett gefärbte Blüten von Ranunculus glacialis wärmer waren und mehr Samen produzierten als weiß gefärbte Blüten der gleichen Art (Ida & Totland, 2014). Allerdings gibt es auch Studien, bei denen die Farbe der Blüte keinen Einfluss auf die Blütentemperatur hat (Van der Kooi, 2019). Um den Zusammenhang zwischen Blütenfarbe, Temperatur und Fortpflanzungsfähigkeit besser zu verstehen, sind weitere Studien notwendig.

Öffnen und Schließen

Das Öffnen und Schließen von Blüten durch die Bewegung der Blütenblätter ist im gesamten Pflanzenreich verbreitet. Vor allem schalen- oder scheibenförmig blühende Arten schützen sich so vor äußeren Faktoren wieLicht, Feuchtigkeit oder Temperatur.  Das Öffnen und Schließen kann je nach Art mehrere Minuten oder Stunden dauern. Es wird angenommen, dass das Schließen der Blüte den Pollen vor Niederschlag (Ausspülen, Beschädigung) oder Austrocknung schützt, was dessen Lebensfähigkeit erhöht. Es gibt verschiedene Experimente, die den Einfluss des Blütenschlusses auf die Temperatur im Blüteninnerenuntersucht haben: Schließen sich beispielsweise die Hüllblätter von Tulipa iliensis bei kühlen Temperaturen, wird eine konstantere Temperatur innerhalb der Blüte aufrechterhalten (Abdusalam und Tan, 2014).

Behaarung
Wahrscheinlich ist die Behaarung von Blüten für die Aufrechterhaltung der Blütentemperatur wichtig, aber im Gegensatz zur Blattbehaarung wurde das bislang nur wenig untersucht. Pflanzenarten, die in hochgelegenen, kalten Regionen wachsen, bilden mitunter eine dicke Blattbehaarung aus. Dadurch entsteht eine isolierende Grenzschicht zur angrenzenden kalten Luftmasse, die den Wärmeverlust verringert (Meinzer und Goldstein, 1985). Die Behaarung der Blüten kann eine ähnliche isolierende Wirkung haben, wie im Beispiel von Weidenkätzchen: In Alaska wurde untersucht, dass es im Inneren von Weidenkätzchen 15-25 °C warm sein kann bei einer Lufttemperatur von 0 °C. Wurden die wolligen Haare entfernt, sanken die Innentemperaturen im Kätzchen um etwa 60% (Krog, 1955).

Quellen:

  • Herrera CM, Pozo MI. 2010. Nectar yeasts warm the flowers of a winter-blooming plant. Proceedings of the Royal Society of London B 277: 1827–1834.
  • Kevan PG. 1989. Thermoregulation in arctic insects and flowers: adaptation and co-adaptation in behaviour, anatomy, and physiology. Thermal Physiology 1: 747–753.
  • Kevan PG, Nunes-Silva P, Sudarsan R. 2018. Short communication: thermal regimes in hollow stems of herbaceous plants—concepts and models. International Journal of Biometeorology 62: 2057–2062.
  • Kevan PG, Tikhmenev EA, Nunes-Silva P. 2019. Temperatures within flowers and stems: possible roles in plant reproduction in the north. Bulletin of the NorthEastern Science Centre of the Russian Academy of Sciences, Magadan, Russia 1: 38–47.
  • Casper J van der Kooi, Peter G Kevan, Matthew H Koski, The thermal ecology of flowers, Annals of Botany, Volume 124, Issue 3, 16 August 2019, Pages 343–353,
  • Anderson ER, Lovin ME, Richter SJ, Lacey EP. 2013. Multiple Plantago species (Plantaginaceae) modify floral reflectance and color in response to thermal change. American Journal of Botany 100: 2485–2493.
  • Ida TY, Totland Ø. 2014. Heating effect by perianth retention on developing achenes and implications for seed production in the alpine herb Ranunculus glacialis. Alpine Botany 124: 37–47.
  • Abdusalam A, Tan D-Y. 2014. Contribution of temporal floral closure to reproductive success of the spring-flowering Tulipa iliensis. Journal of Systematics and Evolution 52: 186–194.
  • Meinzer F, Goldstein G. 1985. Some consequences of leaf pubescence in the Andean giant rosette plant Espeletia timotensis. Ecology 66: 512–520.
  • Krog J. 1955. Notes on temperature measurements indicative of special organization in arctic and subarctic plants for utilization of radiated heat from the sun. Physiologia Plantarum 8: 836–839.
  • Kevan PG. 1970. High arctic insect-flower relations: the inter-relationships of arthropods and flowers at Lake Hazen, Ellesmere Island, N.W.T., Canada. PhD Thesis, University of Alberta, Canada.

 

Dieser Artikel wurde im Winter 2024 in der Flora-Incognita-App als Story angezeigt. In der Pflanzenbestimmungs-App findest Du jederzeit spannende Informationen zu Pflanzen, Ökologie, Artenkenntnis, sowie Tipps und Tricks zum Pflanzenbestimmen. Schau‘ doch mal rein!

🌷 REISSER – Gemeinsam für den Schutz der Wilden Tulpe 🌷

In Hohenlohe blüht eine ganz besondere Schönheit: die „Tulipa sylvestris“, auch Wilde Tulpe, Weinbergtulpe oder Waldtulpe genannt. Diese zarte Blume wurde 1983 zur Blume des Jahres gekürt und ist ein wahres Juwel unserer Region. Doch die Wilde Tulpe ist bedroht. Sie steht unter Artenschutz und ihre Lebensräume schwinden. In Ingelfingen, Niedernhall und Weißbach hat sie sich in den Weinbergen, auf Brachflächen und an Straßenrändern angesiedelt – ein mutiger Schritt, um zu überleben.

 

Als stolzes Hohenloher Unternehmen haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, unseren Beitrag zum Schutz dieser gefährdeten Blume zu leisten. Wir setzen auf gezielte Aktionen, Pressearbeit und Kommunikation, um Bewusstsein zu schaffen und die Bestände zu erhalten.

Unser Projekt:

„REISSER – Gemeinsam für den Schutz der Wilden Tulpe“

Im Herbst 2023 haben wir unser Projekt „Rettet die Weinbergtulpe“ gestartet und laden unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter herzlich ein, sich daran zu beteiligen. Gemeinsam wollen wir der Wilden Tulpe die Aufmerksamkeit schenken, die sie verdient.

 

Machen Sie bei der Kartierung mit:

Schritt 1: Bestimmen Sie die Pflanze mit der Flora Incognita App

Schritt 2: Ordnen Sie die Pflanze unserem Projekt zu

Schritt 3: Beantworten Sie die zusätzlichen Fragen zum Bestand und Entwicklungsstand der Blume, die dann folgend angezeigt werden
Herzlichen Dank!

 

Ihre Beobachtungen werden anonym an unsere Projektverantwortlichen (siehe unten)  übermittelt. Wir erhalten die folgenden Informationen:

  • Name der Art,
  • Fundort der Pflanze,
  • Datum der Beobachtung,
  • alle Fotos, die bei der Bestimmung gemacht wurden,
  • die weiteren Informationen zur gefundenen Blume

 

Gemeinsam schützen wir die Wilde Tulpe und machen Hohenlohe bunter! 🌸

Den Aktivierungscode für Ihre Flora-Incognita-App erhalten Sie von:

Bärbel Häckel
Telefon: +49 7940 127 856
barbel.haeckel@reisser-screws.com

 

#REISSER #Nachhaltigkeit #Artenschutz #Tulpenprojekt #GemeinsamFürDieNatur

Flora-Incognita-Beobachtungen ermöglichen phänologisches Monitoring in ganz Europa

Eine neue Studie aus unserem Forschungsprojekt zeigt, dass Pflanzenbeobachtungen, die mit Bestimmungs-Apps gesammelt werden, Aussagen über die Entwicklungsstadien von Pflanzen zulassen – sowohl kleinräumig als auch europaweit. [Studie lesen]

Warum ist die Dokumentation der Phänologie wichtig?

Viele Pflanzen in gemäßigten Klimazonen durchlaufen jedes Jahr einen Ablauf aus Blüte, Blattaustrieb, Fruchtbildung, Blattfärbung und Blattfall. Diesen Prozess nennt man Phänologie, und er und wird stark von lokalen klimatischen Bedingungen beeinflusst (zum Beispiel von der Anzahl der Tage im Jahr, an denen eine bestimmte zum Wachstum notwendige Mindesttemperatur erreicht wird, siehe „Growing Degree Day“ oder GDD). Deswegen ist es nicht verwunderlich, dass sich der Klimawandel stark auf die Phänologie auswirkt. Beispielsweise beginnt der Frühling mittlerweile früher als noch in den 1950er Jahren, wodurch die Vegetationsperiode viel schneller einsetzt als damals. Solche Veränderungen haben Auswirkungen auf landwirtschaftliche Abläufe und können außerdem auch zu ökologischen Ungleichgewichten führen: Pflanzen beginnen beispielsweise zu blühen, noch bevor ihre Bestäuber aktiv sind. Aber nicht alle Pflanzen reagieren gleichermaßen auf klimatische Veränderungen. Arten, die ein größeres Toleranzspektrum für warme Tage haben, oder bei denen andere Faktoren die Phänologie bestimmen, bleiben von Verschiebungen nahezu unberücksichtigt. Um ein wirklich präzises Verständnis für den Einfluss des Klimas auf die Pflanzenphänologie zu erlangen, ist es wichtig, die Phänologie von möglichst vielen verschiedenen Arten, in unterschiedlichen Ländern und geografischen Regionen zu dokumentieren.

Wie funktioniert das phänologische Monitoring?

Phänologie wird heute bereits über verschiedene Methoden dokumentiert. Satellitenbilder erkennen das Ergrünen ganzer Landstriche, Kameras in Baumkronen fertigen automatisierte Bilderserien über den Zustand der darunter liegenden Vegetationsschicht an. Solche Datensätze erlauben Aussagen über große Skalen, lassen aber kaum Rückschlüsse auf die Phänologie von einzelnen Arten oder gar Individuen zu. Hierfür gibt es Initiativen, die mit Hilfe von geschulten Freiwilligen durchgeführt werden. Die Zahl dieser Bürgerwissenschaftler:innen geht jedoch immer weiter zurück, und zudem ist diese Art der Datenerhebung in der Regel auf bestimmte Pflanzenarten (oftmals Bäume), Länder oder noch kleinere Regionen beschränkt.

Kann man mit Flora Incognita Phänologie dokumentieren?

Daten, die über Pflanzenbestimmungs-Apps wie Flora Incognita erhoben werden, können hier eine Lösung sein. Das haben die Wissenschaftler:innen unseres Projekts bereits 2023 nachgewiesen: Pflanzen werden vor allem dann wahrgenommen und fotografiert, wenn sie einerseits auffällig sind und zudem blühen, bunte Früchte tragen oder Herbstlaub. So entstehen Beobachtungsmuster, die phänologische Events anzeigen. Diese Muster decken sich in vielen Fällen mit denen, die der Deutsche Wetterdienst (DWD) in Bezug auf den Blühbeginn von Arten in Deutschland veröffentlicht. Angenommen, der DWD registriert in einem Jahr einen früheren Blühbeginn des Holunders als im Vorjahr, dann spiegelt sich diese Verschiebung auch in den Bestimmungsanfragen von Flora Incognita wider.

Details zu dieser Studie findest Du in diesem Artikel: Phänologie-Monitoring mit Flora-Incognita-Pflanzenbeobachtungen.

Neue Studie zeigt Phänologien und bioklimatische Zusammenhänge über ganz Europa

Unsere neue Publikation zeigt nun, dass Smartphone-Beobachtungen sogar bekannte überregionale phänologische Muster widerspiegeln, wie z. B.

  • die spätere Blüte vieler Arten in Nord- und Osteuropa oder
  • die spätere Blüte vieler Arten in größeren Höhenlagen, aber auch
  • eine europaweite Verschiebung des Blühbeginns zwischen den Jahren, wie es bereits für Deutschland nachgewiesen wurde.

Das beweist, dass die von Pflanzenbestimmungs-Apps generierten Daten eine zuverlässige Quelle für das Vorkommen von Pflanzen zu einem bestimmten Zeitpunkt und an einem bestimmten Ort sind und sich gut für die Beantwortung weiterer Forschungsfragen eignen – auch in größeren Maßstäben.

Die Ergebnisse der Studie im Überblick

Pflanzen blühen eher, wenn es mehr warme Tage gibt

Wir haben die europaweiten Beobachtungsdaten (Quellen: Flora Incognita, aber auch Meldeplattformen wie iNaturalist) aus 2020 und 2021 von 20 verschiedenen Pflanzenarten miteinander verglichen. Dabei konnten wir feststellen, dass insbesondere die Frühlingsblüher wie beispielsweise der Gamander-Ehrenpreis Veronica chamaedrys 2020 zeitiger geblüht haben – bis zu zwei Wochen eher als 2021.

 

Eine Analyse der Temperatur am jeweiligen Standort zeigte auf, dass es im Frühjahr 2020 deutlich mehr Tage gab, an denen im Mittel 5°C oder darüber erreicht wurden, die Pflanzen also in kürzerer Zeit mehr Wärme aufnehmen konnten. Bei Arten, die später im Jahr blühen, wie der Rainfarn Tanacetum vulgare oder der Gewöhnliche Natternkopf Echium vulgare, war der Effekt weniger ausgeprägt.

Pflanzen blühen später, wenn sie in höheren Lagen, weiter im Osten oder im Norden wachsen

Es waren jedoch nicht nur Muster zwischen den Jahren, sondern auch zwischen verschiedenen Regionen zu erkennen. Es ist bekannt, dass die gleiche Art je nach Standort zu unterschiedlichen Zeiten blüht. (-> Hopkins‘ bioklimatisches Gesetz) Wenn beispielsweise die gleiche Pflanzenart in Schweden und Spanien vorkommt, blüht die spanische Pflanze einige Tage oder sogar Wochen früher als die im Norden. Die genaue Anzahl der Tage bis zur Blüte variiert natürlich je nach Pflanzenart. Auch diese Gesetzmäßigkeit lässt sich mit Flora-Incognita-Daten abbilden:

Diese Abbildung zeigt den Median der Beobachtungsdaten für die drei bereits vorgestellten Pflanzenarten. Rosa und orange Farben zeigen an, dass die Art am jeweiligen Ort früh im Jahr blühte, während die gleiche Art an einem anderen Standort später blühte (dunkelgrün und blau codiert). Deutlich setzen sich nicht nur die Längen- und Breitengrade ab, sondern auch die Mittel- und Hochgebirge. Details zu den Daten und angewandten Methoden sind in der Publikation ersichtlich, die am E nde des Artikels verlinkt ist.

Alle untersuchten 20 Pflanzenarten ließen sich in eines von drei Hauptmustern eingliedern, die hier beispielhaft abgebildet sind. Veronica chamaedrys zeigt im Jahr 2020 mehr rötliche Farben als im Jahr 2021; wie bereits erwähnt ist dies auf die wärmeren Temperaturen im Frühjahr 2020 zurückzuführen. Echium vulgare zeigt über die Jahre hinweg nur geringfügige Reaktionen auf unterschiedliche Klimabedingungen, und für Tanacetum vulgare konnten wir feststellen, dass Phänologie im Vergleich zu den anderen Arten ein umgekehrtes Muster aufweist: Rainfarn blüht in östlichen, nördlichen und hohen Lagen eher als seine Geschwister in westlichen, südlichen und niedrig gelegeneren Teilen Europas. Auch dieses Phänomen wurde bereits in der wissenschaftlichen Literatur beschrieben. Arten, die eigentlich viele warme Tage bis zur Blüte brauchen, haben sich an kalte Standorte mit einer Verkürzung der Vegetationszeit und einem zeitigeren Blühtermin angepasst.

Zusammenfassung

Die neue Publikation zeigt zum ersten Mal auf einer europaweiten Skala zeitliche und räumliche Verschiebungen von Pflanzenphänologie anhand von Daten, die nicht gezielt für diesen Zweck gesammelt wurden. Für die Nutzer:innen von Flora Incognita bedeutet  das, dass jede einzelne Pflanzenbestimmung mehr als nur die eigene Neugierde befriedigt. Durch die Dokumentation von Pflanzenvorkommen zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort schaffen sie eine wachsende und robuste Datenquelle zur Phänologie, die keine nationale Grenzen kennt, neue Arten mit einschließt und zahlreiche weiterführende Forschungsfragen beantworten kann.

Vielen Dank für Eure Neugier.

Die neue Veröffentlichung ist ab sofort frei verfügbar:

Rzanny, M., Mäder, P., Wittich, H.C. et al. Opportunistic plant observations reveal spatial and temporal gradients in phenology. npj biodivers 3, 5 (2024). https://doi.org/10.1038/s44185-024-00037-7

Veronica chamaedrys im Titelbild: aufgenommen von Ilse Schönfelder.