Vielfalt des Lebens – Lebensraumvielfalt

Biodiversität – Die Serie

Neben der Artenvielfalt und der genetischen Vielfalt ist die Lebensraumvielfalt eine der drei bedeutendsten Säulen der Biodiversität. In der letzten Flora Story haben wir uns intensiver mit der genetischen Vielfalt innerhalb einer Art beschäftigt. In der heutigen Story gehen wir genauer auf den Aspekt der Vielfalt von Lebensräumen in einer Region ein.

Was bedeutet Lebensraumvielfalt?

Die Lebensraumvielfalt ist ein Maß dafür, wie viele verschiedene Lebensräume auf einer bestimmten Fläche vorhanden sind. Ein Gebiet, in dem beispielsweise ein natürlich fließender Bach einen Waldrand von einer Wiese trennt, kann eine hohe Strukturvielfalt aufweisen. Eine große Ackerfläche ohne Hecken oder Blühstreifen weist dagegen keine hohe Vielfalt an Lebensräumen auf. Eine hohe Lebensraumvielfalt erhöht automatisch auch die Artenvielfalt des Gebietes, da in jedem dieser Biotope eine eigene Lebensgemeinschaft vorkommt und somit eine einzelne Fläche von mehr Arten besiedelt werden kann.

Verlust von Lebensräumen

Der Mensch trägt die Hauptverantwortung bei der Zerstörung von Lebensraum, durch die Nutzung natürlicher Ressourcen, Luft-, Licht- und Wasserverschmutzung, Lärmbelastung, intensive Landwirtschaft, industrielle Produktion und die fortschreitende Zersiedelung der Landschaften. Weitere einflussreiche menschliche Aktivitäten sind Bergbau, Abholzung und Schleppnetzfischerei. Einen weltweiten Einfluss hat die Eutrophierung, der übermäßige Eintrag von Stickstoff und Phosphor in Ökosysteme und die Atmosphäre. Dieser Nährstoffeintrag führt langfristig dazu, dass nährstoffarme Habitate ihren einzigartigen und artenreichen Charakter verlieren und anderen Standorten immer ähnlicher werden.

Aber auch abiotische Umweltfaktoren können (indirekt) zur Zerstörung von Lebensräumen beitragen. Dazu gehören geologische Prozesse wie Vulkanismus, der Klimawandel, und das Ausbreiten invasiver Arten.

Invasive Arten übernehmen Lebensräume

Die Zerstörung von Lebensräumen in einem Gebiet kann dazu führen, dass sich die lokale Artenvielfalt von einer Kombination aus Generalisten und Spezialisten zu einer Population verschiebt, die hauptsächlich aus Generalisten besteht. Invasive Arten sind oft Generalisten, da sie in einer viel größeren Vielfalt von Lebensräumen überleben können als Spezialisten. Wenn nun diese ausbreitungsstarken invasiven Arten immer größere Lebensräume eines Gebietes besiedeln, bleibt für die wenigen ursprünglich dort heimischen Spezialisten immer weniger Platz. So verschiebt sich die sogenannte Aussterbeschwelle der Spezialisten immer weiter in eine fatale Richtung – und die Wahrscheinlichkeit ihres Aussterbens steigt.

Verlust der biologischen Vielfalt

Die Zerstörung von Lebensräumen ist der größte Treiber für den Verlust der Artenvielfalt und für den Verlust der genetischen Vielfalt innerhalb von Arten. Und hier geht es nicht nur um den Verlust großen und beliebten Tieren wie dem Großen Panda. Arten wie Fadenwürmer, Milben, Regenwürmer, Pilze und Bakterien übernehmen viele der für uns Menschen lebensnotwendigen Prozesse wie die Reinigung von Luft und Wasser, und auch sie verschwinden, wenn ihre Lebensräume zerstört sind. Auf höherer Ebene sorgen Pflanzen nicht nur für Strukturvielfalt und Schutz vor Erosion, sondern auch für Energie und Nährstoffe, die dann von anderen Lebewesen in der Nahrungskette weiterverarbeitet werden.

Beispiel: Totholz

Ein „gepflegter und aufgeräumter“ (Wirtschafts-)Wald ist oft einer, dem Holz entnommen wird, bevor es absterben kann. Damit fehlt dem Lebensraum Wald allerdings etwas, was ursprünglich ein fester Bestandteil war und sich über Jahrtausende entwickeln und optimieren konnte – ein Hotspot der Biodiversität: Unter der Rinde toter Bäume warten Stärke, Zucker, Vitamine, Eiweiße, Aminosäuren und Zellulose darauf, von Bock- und Borkenkäfer, Holzwespen und tausenden oftmals hoch spezialisierten v.a. Insekten und Pilzarten zersetzt zu werden. Deren Bohrmehl, Kot und Häutungsreste locken neue Holzbesiedler an – übrigens andere bei liegendem als bei stehendem Totholz. Fledermäuse, Käuze, Siebenschläfer nutzen Totholz als Überwinterungslager oder Schlafplatz, während weitere Organismen – Pflanzen, Pilze, Asseln, Milben und Würmer die Zersetzung schließlich abschließen. Übrig bleibt eine große Menge Humus, und damit die perfekte Grundlage für neues Wachstum.

Biodiversität

Das Beispiel Totholz zeigt eindrücklich: Unzählige Lebensräume und Prozesse sind durch den Menschen bereits so schnell verändert und zerstört worden, dass ganze Organismengruppen ausgestorben oder in ihrem Fortbestand akut bedroht sind. Das Wissen um die Zusammenhänge und das tägliche Bemühen um den Erhalt und die Wiederherstellung von Lebensräumen kann jedoch den Unterschied ausmachen, ob in der eigenen Stadt, im eigenen Dorf oder im eigenen Garten eine Vielfalt von Lebensräumen, Arten und die Vielfalt innerhalb dieser Arten erhalten bleibt.

Dieser Artikel wurde im Frühjahr 2024 in der Flora-Incognita-App als Story angezeigt. In der Pflanzenbestimmungs-App findest Du jederzeit spannende Informationen zu Pflanzen, Ökologie, Artenkenntnis, sowie Tipps und Tricks zum Pflanzenbestimmen. Schau‘ doch mal rein!

Genetische Vielfalt – Vielfalt des Lebens

Biodiversität – Die Serie

Neben der Artenvielfalt und der Vielfalt von Lebensräumen ist die genetische Vielfalt eine der drei bedeutendsten Säulen der Biodiversität. In der letzten Flora Story haben wir uns intensiver mit der Artenvielfalt beschäftigt. In der heutigen Story gehen wir genauer auf den Aspekt der genetischen Vielfalt innerhalb einer Art ein.

Genetische Vielfalt

Eine Art besteht aus Individuen, die sich zwar sehr ähnlich sind, aber kleine Unterschiede in ihrer Erbinformation aufweisen. Gibt es viele dieser kleinen Unterschiede, dann hat diese Art das Potenzial, sich leicht an neue Umweltbedingungen anzupassen. Ein Beispiel: Tragen manche Individuen einer Population die Eigenschaft mit sich, sich trotz hoher Bodenfeuchte weiter fortpflanzen zu können, und andere Individuen tragen die Eigenschaft mit sich, das bei Trockenheit zu können, dann ist der Fortbestand dieser Art recht wahrscheinlich, auch wenn sich die Standortbedingungen ändern.

Nicht alle Gene sind immer aktiv

In Pflanzen sind zu unterschiedlichen Zeiten und unter wechselnden Bedingungen im Durchschnitt etwa 30.000 Gene aktiv. Ob und wie gut eine Pflanze gedeiht, inwieweit sie sich an ihre Umgebung anpassen und klimatischen Veränderungen begegnen kann, kommt also darauf an, wie groß der Pool an möglichen aktivierbaren Genen ist. Betrachtet man nun ein einzelnes Gen, so hängt dessen Aktivierung unter anderem davon ab, wo und wie die Pflanze lebt: Einzeln? In einer dichten Population? Vollsonnig oder im Schatten? Auch Aspekte wie Feuchtigkeit oder die chemische Bodenzusammensetzung spielen eine Rolle.

Nicht alle Individuen müssen sich anpassen

Es gibt auch Pflanzen, die können sogar Gene aktivieren, um „Hilferufe“ auszusenden. Sie bilden dann beispielsweise Duftstoffe, die Nützlinge anlocken, um Schädlinge zu fressen. Experimente von Wissenschaftler:innen des Max-Planck-Instituts für Chemische Ökologie haben [gezeigt](https://elifesciences.org/articles/04490), dass es mitunter ausreicht, wenn nur einzelne Pflanzen innerhalb einer größeren Population diese genetische Ausprägung entwickeln, um alle benachbarten Pflanzen zu schützen.

Vielfalt als Basis für Evolution

Die genetische Vielfalt innerhalb einer Art ist auch die Grundlage für die Bildung ganz neuer Arten. Es gibt hierfür verschiedene Konzepte, die sich vor allem darin unterscheiden, ob es zu einer räumlichen Trennung (durch Gebirgs- und Inselbildung, Stürme) von Populationen kommt oder nicht.

  • Ist das der Fall, kann es keinen genetischen Austausch mehr unter den Gruppen geben und durch Mutation und Selektion entstehen schließlich neue Arten.
  • Artbildung ohne räumliche Trennung: durch spontane Mutation der Fortpflanzungsorgane können sich Individuen nicht mehr untereinander vermehren. Die veränderte Population spaltet sich von der ursprünglichen Art ab.
  • Artbildung trotz Genfluss: Wie zu Beginn der Story gezeigt, kann eine hohe genetische Variabilität innerhalb einer Art dafür sorgen, dass diese an völlig unterschiedlichen Standorten gedeihen kann. Über lange Zeiträume hinweg sorgen schließlich kleinste Veränderungen dafür, dass aus diesen angepassten Populationen neue Arten entstanden sind.

 

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Artenvielfalt – Vielfalt des Lebens

Biodiversität – Die Serie

Neben der Artenvielfalt und der Vielfalt von Lebensräumen ist die genetische Vielfalt eine der drei bedeutendsten Säulen der Biodiversität. In dieser dreiteiligen Serie gehen wir auf jede dieser Arten in einem eigenen Artikel genauer ein. Viel Spaß!

Artenvielfalt

Der Begriff Artenvielfalt beschreibt die Anzahl biologischer Arten in einem bestimmten Gebiet. Das gilt für kleine Räume genauso wie für große: ein einziger Baum im Amazonas, ein ganzes Gebirge, ein politischer Staat, oder auch nur eine Rasterzelle in einer Stadt. Typischerweise wird die Artenvielfalt eines solchen Gebiets aufgeteilt in bestimmte Gruppen wie Pflanzen (oder nur Bäume), Säugetiere, Fische, Insekten – je nach Fragestellung oder Thema.

Wie viele Arten gibt es?

Im Jahr 2006 waren ca. 2 Millionen Arten wissenschaftlich beschrieben. Dem gegenüber stehen Schätzungen der tatsächlich existierenden Arten von 5 bis 20 Millionen weltweit. Diese beiden Angaben genau zu machen ist sehr schwierig, da verschiedene Organismengruppen unterschiedliche Kriterien zur Artabgrenzung haben, moderne Klassifizierungsmethoden auch genetische Informationen mit einbeziehen, es eine Vielzahl von Synonymen gibt und die meisten Arten einerseits sehr klein sind und zudem in Gebieten leben, die nicht leicht zu erreichen sind. Trotzdem werden jährlich etwa 12-13.000 Arten neu wissenschaftlich beschrieben.

Warum ist Artenvielfalt wichtig?

Die Natur ist für unser Überleben entscheidend, da sie uns mit wichtigen Ökosystemleistungen wie Nahrung, Medikamenten, Wasserregulation oder auch Erholungsmöglichkeiten versorgt. Außerdem trägt sie zur Regulierung des Klimas bei, und jede Art spielt eine einzigartige und wichtige Rolle. Das Fehlen einer Art kann zu einer Störung komplexer ökologischer Kreisläufe führen. So kann sich das Aussterben von Insektenarten beispielsweise negativ auf Vögel auswirken, die sich von diesen Insekten ernähren, sowie auf die Bestäubung von Pflanzen (auch Nutzpflanzen).

Was bedroht die Artenvielfalt?

An erster Stelle steht die Zerstörung von Lebensräumen durch Bebauung, Rodung oder Veränderung, z.B. durch Intensivierung der Bodenbearbeitung. Viele artenreiche Lebensräume sind nährstoffarm, da sich auf nährstoffreichen Standorten schnell wenige dominante Arten ausbreiten. Der Eintrag von Stickstoff und Phosphor durch Schadstoffe stellt eine Bedrohung für diese Lebensräume dar. Schließlich können auch invasive Arten einen nachhaltigen Einfluss auf bestehende Ökosysteme haben, indem sie die komplexen Wechselwirkungen zwischen den dort vorkommenden Arten stören und dabei etablierte Arten erfolgreich verdrängen. Über all diesen Faktoren steht der Klimawandel, der viele etablierte Prozesse so schnell verändert, dass die Anpassungsfähigkeit vieler Arten damit nicht Schritt halten kann.

Wie kann man Artenvielfalt schützen?

Die Wiederherstellung oder Erhaltung vielfältiger Lebensräume ist die wichtigste Maßnahme für den Erhalt der Artenvielfalt – oder zumindest um das Schwinden zu verlangsamen. Beispiele sind die Wiederherstellung von Auenlandschaften an Flüssen, das Erlauben von stehendem und liegendem Totholz in Wäldern, Abmagerung von Trockenrasen, extensive ganzjährige Weidhaltung, Blühstreifen mit heimischen Wildkräutern und Sträuchern an landwirtschaftlichen Flächen und der Stopp der Entwässerung von Mooren. Aber auch das eigene Handeln kann einen Einfluss haben: Wilde Ecken im Garten, versetztes Mähen von Wiesen, Verwendung torffreier Erden, die Teilnahme an Arbeitseinsätzen zum Entfernen von invasiven Pflanzen oder politische und Bildungsarbeit sind wertvolle Bausteine für die Erhaltung der Artenvielfalt.

 

 

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Biodiversität – Vielfalt des Lebens

Biodiversität ≠ Artenvielfalt

Biodiversität ist ein Begriff, den man an vielen Stellen liest, aber was genau ist damit gemeint? Einfach ausgedrückt ist Biodiversität die Vielfalt des Lebens auf der Erde. Viele Menschen, vor allem in Deutschland, verwenden den Begriff Artenvielfalt als Synonym für Biodiversität, aber das greift zu kurz. Denn eine hohe Biodiversität bezieht sich nicht nur darauf, dass es viele Arten von Lebewesen (z.B. Tiere, Pflanzen, Pilze) gibt, sondern auch darauf, dass es unter ihnen eine große genetische Vielfalt gibt. Eine dritte Komponente kommt hinzu: die Vielfalt der Lebensräume. Um euch diese drei Formen der Biodiversität genauer zu erklären, folgen in den nächsten Wochen weitere Flora Storys, die sich mit den einzelnen Formen näher beschäftigen. Nicht verpassen!

Verlust von Biodiversität

Im Mai 2019 wurde der „Global Assessment Report on Biodiversity and Ecosystem Services“  veröffentlicht. Der Bericht zeigt den alarmierenden Zustand der globalen Biodiversität auf. Daten aus den Jahren 1970 bis 2018 für insgesamt 31.821 Populationen von 5.230 Arten aus aller Welt zeigen, dass die Populationsgrößen der beobachteten Säugetiere, Vögel, Amphibien, Reptilien und Fische im Durchschnitt um 69 Prozent geschrumpft sind. Der Hauptgrund dafür liegt im Verlust von vielfältigen Lebensräumen. Durch die immer kleiner werdenden Populationen kommt es zwangsläufig auch zu einem Verlust der genetischen Vielfalt. Deshalb ist es so wichtig, Lebensräume zu schützen oder wiederherzustellen. Genau das ist auch das Motto des diesjährigen Tages der Biodiversität. 

Tag der Biodiversität (22. Mai)

Jedes Jahr wird am 22. Mai der Internationale Tag der Biodiversität begangen. Im Jahr 2024 steht er unter dem Motto „Be part of the Plan“. Dieses Motto ist ein Aufruf zum Handeln, um den Verlust der biologischen Vielfalt zu stoppen und umzukehren, denn jeder Mensch interagiert mit der Umwelt und kann Teil des Plans zur Erhaltung der biologischen Vielfalt werden.

Abzeichen: Tag der Artenvielfalt

Flora Incognita wurde entwickelt, um es Dir leicht zu machen, Pflanzenarten kennenzulernen. Nur wer Arten kennt, kann Arten schützen! Deswegen kannst Du Dir am 22. Mai das Abzeichen zum Tag der Artenvielfalt verdienen. Dafür musst Du einfach eine Vielzahl von verschiedenen Pflanzenarten an diesem Tag mit Flora Incognita bestimmen. Es gibt drei Level: Für 10, 20 und 30 verschiedene Arten. Viel Spaß bei dieser Aufgabe!

 

 

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Blüten unter der Lupe: Wärmeregulierung im Winter

Im Winter oder in kalten Habitaten wie Hochgebirgen ist eine optimale Blütentemperatur wichtig für eineerfolgreiche Fortpflanzung. Einige Pflanzen können in ihren Blüten aktiv Wärme produzieren, wie Helleborus foetidus mithilfe von Hefebakterien im Nektar (Herrera and Pozo, 2010). Aber das ist die Ausnahme. Für die meisten Pflanzen der kalten Regionen (oder Frühblüher) gilt, je mehr Wärme sie aus der Umwelt aufnehmen oder zumindest nicht verlieren können, umso besser. In dieser Story lernst Du, welchen Einfluss Eigenschaften wie Form, Farbe, Behaarung oder die Ausrichtung zur Sonne auf die Temperatur in der Blüte haben.

Glocken und Scheiben

Vielleicht hast Du Dich schon einmal gefragt, warum viele Frühblüher glockenförmige Blüten haben? Die Antwort ist: Glocken sammeln mehr Wärme ein als scheibenförmige Blüten. Hängende Glocken können Wärme aus der Bodenstrahlung aufnehmen und so im Inneren der Blüte 3-11 °C über der Umgebungstemperatur liegen (Kevan, 1989). Aufrechte Glocken, wie beispielsweise Enziane, bündeln Sonnenstrahlen, wenn sie in einem bestimmten Winkelbereich einfallen. In scheibenförmigen Blüten sind die Fortpflanzungsorgane der Umgebung direkt ausgesetzt und sitzen mittig, wo das meiste einfallende Licht der Blüte reflektiert wird. Aber auch die Blütenblätter spielen eine Rolle. In einem Experiment wurde in Blüten von Saxifraga oppositifolia der Temperaturüberschuss im Vergleich zur Umgebung um 70% reduziert, nachdem die Kelchblätter entfernt wurden (Kevan, 1970).

Mikro-Gewächshäuser

Eine weitere erfolgreiche Strategie ist das Ausbilden von „Mikro-Gewächshäusern“. Das sind beispielsweiseblasenförmige Strukturen aus durchscheinenden Hüllblättern, wie beim Kleinen Klappertopf (Rhinanthus minor), oder aus Kelchblättern wie bei Physalis. Diese filtern Licht im UV-Bereich, lassen aber längere Wellenlängen durch, wodurch die Luft im Inneren erwärmt wird. Ähnlich wie Blüten können aber auch hohle Stängel einen heizenden Effekt aufweisen, wenn die im Stängel eingeschlossene Wärme zu einem Anstieg der Innentemperatur führt (Kevan et al. 2018, 2019). Das kann die Entwicklung der unmittelbar darüber liegenden Blütenknospe fördern.

Ausrichtung zur Sonne (Heliotropismus)

Manche Pflanzen richten ihre Blüten im Tagesverlauf permanent so aus, dass sie der Sonne zugewandt sind. Insbesondere in kalten Regionen führt das zu einer effektiven Erwärmung der Blüte. Das kann Vorteile für die Pflanze mit sich bringen, beispielsweise durch erhöhte Temperaturen in den Fortpflanzungsorganen, schwerere Samen und mehr Besuche von Bestäubern. Viele Experimente versuchten bereits die Mehrwerte von Heliotropismus nachzuweisen, aber nicht in jedem Fall erfolgreich. (Van der Kooi, 2019).

Farbe

Dunklere Farben können mehr Strahlungsenergie absorbieren. Diese kann in der Blüte in Wärme umgewandelt werden, wodurch sich die Temperatur der Blüte erhöhen kann. In einer Reihe von Experimenten mit Plantago konnte eine enge Beziehung zwischen der Farbe der blütentragenden Ähre und ihrer Temperatur festgestellt werden. Individuen, die sich bei niedrigen Temperaturen entwickeln, bilden dunklere Rispen aus, die in voller Sonne 0,2-2,6 °C wärmer waren als die Vergleichsgruppe (Anderson et al., 2013). Eine andere Studie fand heraus, dass violett gefärbte Blüten von Ranunculus glacialis wärmer waren und mehr Samen produzierten als weiß gefärbte Blüten der gleichen Art (Ida & Totland, 2014). Allerdings gibt es auch Studien, bei denen die Farbe der Blüte keinen Einfluss auf die Blütentemperatur hat (Van der Kooi, 2019). Um den Zusammenhang zwischen Blütenfarbe, Temperatur und Fortpflanzungsfähigkeit besser zu verstehen, sind weitere Studien notwendig.

Öffnen und Schließen

Das Öffnen und Schließen von Blüten durch die Bewegung der Blütenblätter ist im gesamten Pflanzenreich verbreitet. Vor allem schalen- oder scheibenförmig blühende Arten schützen sich so vor äußeren Faktoren wieLicht, Feuchtigkeit oder Temperatur.  Das Öffnen und Schließen kann je nach Art mehrere Minuten oder Stunden dauern. Es wird angenommen, dass das Schließen der Blüte den Pollen vor Niederschlag (Ausspülen, Beschädigung) oder Austrocknung schützt, was dessen Lebensfähigkeit erhöht. Es gibt verschiedene Experimente, die den Einfluss des Blütenschlusses auf die Temperatur im Blüteninnerenuntersucht haben: Schließen sich beispielsweise die Hüllblätter von Tulipa iliensis bei kühlen Temperaturen, wird eine konstantere Temperatur innerhalb der Blüte aufrechterhalten (Abdusalam und Tan, 2014).

Behaarung
Wahrscheinlich ist die Behaarung von Blüten für die Aufrechterhaltung der Blütentemperatur wichtig, aber im Gegensatz zur Blattbehaarung wurde das bislang nur wenig untersucht. Pflanzenarten, die in hochgelegenen, kalten Regionen wachsen, bilden mitunter eine dicke Blattbehaarung aus. Dadurch entsteht eine isolierende Grenzschicht zur angrenzenden kalten Luftmasse, die den Wärmeverlust verringert (Meinzer und Goldstein, 1985). Die Behaarung der Blüten kann eine ähnliche isolierende Wirkung haben, wie im Beispiel von Weidenkätzchen: In Alaska wurde untersucht, dass es im Inneren von Weidenkätzchen 15-25 °C warm sein kann bei einer Lufttemperatur von 0 °C. Wurden die wolligen Haare entfernt, sanken die Innentemperaturen im Kätzchen um etwa 60% (Krog, 1955).

Quellen:

  • Herrera CM, Pozo MI. 2010. Nectar yeasts warm the flowers of a winter-blooming plant. Proceedings of the Royal Society of London B 277: 1827–1834.
  • Kevan PG. 1989. Thermoregulation in arctic insects and flowers: adaptation and co-adaptation in behaviour, anatomy, and physiology. Thermal Physiology 1: 747–753.
  • Kevan PG, Nunes-Silva P, Sudarsan R. 2018. Short communication: thermal regimes in hollow stems of herbaceous plants—concepts and models. International Journal of Biometeorology 62: 2057–2062.
  • Kevan PG, Tikhmenev EA, Nunes-Silva P. 2019. Temperatures within flowers and stems: possible roles in plant reproduction in the north. Bulletin of the NorthEastern Science Centre of the Russian Academy of Sciences, Magadan, Russia 1: 38–47.
  • Casper J van der Kooi, Peter G Kevan, Matthew H Koski, The thermal ecology of flowers, Annals of Botany, Volume 124, Issue 3, 16 August 2019, Pages 343–353,
  • Anderson ER, Lovin ME, Richter SJ, Lacey EP. 2013. Multiple Plantago species (Plantaginaceae) modify floral reflectance and color in response to thermal change. American Journal of Botany 100: 2485–2493.
  • Ida TY, Totland Ø. 2014. Heating effect by perianth retention on developing achenes and implications for seed production in the alpine herb Ranunculus glacialis. Alpine Botany 124: 37–47.
  • Abdusalam A, Tan D-Y. 2014. Contribution of temporal floral closure to reproductive success of the spring-flowering Tulipa iliensis. Journal of Systematics and Evolution 52: 186–194.
  • Meinzer F, Goldstein G. 1985. Some consequences of leaf pubescence in the Andean giant rosette plant Espeletia timotensis. Ecology 66: 512–520.
  • Krog J. 1955. Notes on temperature measurements indicative of special organization in arctic and subarctic plants for utilization of radiated heat from the sun. Physiologia Plantarum 8: 836–839.
  • Kevan PG. 1970. High arctic insect-flower relations: the inter-relationships of arthropods and flowers at Lake Hazen, Ellesmere Island, N.W.T., Canada. PhD Thesis, University of Alberta, Canada.

 

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Die Forsythie blüht aber zeitig dieses Jahr!

Es ist richtig, dass sich der Blühzeitpunkt der Forsythie seit den 1950-er Jahren deutlich verfrüht hat, von ehemals April in den März hinein, mitunter sogar schon in den Februar. Wenn jedoch bereits im Dezember und Januar gelb blühende Sträucher in Städten und Gärten beobachtet werden, dann handelt es sich bei diesen oft nicht um die Forsythie (Forsythia × intermedia), sondern um den Winter-Jasmin (Jasminum nudiflorum). Dieser Artikel soll helfen, diese Verwechslung zukünftig zu vermeiden:

Winter-Jasmin

Das Ölbaumbewächs stammt aus China und wurde als Zierpflanze nach Europa gebracht. In Frankreich gilt er bereits als beständig verwildert. Berühren seine hängenden Zweige den Boden, wurzeln sie an – was zu einem wirren, dichten Wuchs des Strauches führt. Winter-Jasmin kann in Deutschland schon ab Ende Dezember blühen und frostige Tage machen der Pflanze wenig aus – sie treibt an ihren grünen, nackten Trieben beständig neue Blüten nach. Daher auch der Artname: nudiflorum bedeutet so viel wie „nacktblütig“. Ein genauer Blick auf die Blüte zeigt, dass bei ihr fünf bis sechs gelbe Kronblätter zu einer tellerförmigen Blütenkrone zusammengewachsen sind. Im Gegensatz zu vielen anderen Jasminen duften seine Blüten nicht.

Forsythie

Gern gepflanzt, blütenreich (aber im Januar noch kahl, wie im Bild ersichtlich) sind Hybriden von Forsythien. Sie bilden aufrechte Sträucher von bis zu 3 m Höhe. Noch in den 1950-er Jahren blühten Forsythien ab April, aber der Blühbeginn verlagert sich durch den Klimawandel immer weiter in den März hinein, vereinzelt schon in den Februar. Ihre Blüten wachsen kelchförmig, mit vier zipfelförmigen, kurz verwachsenen Kronblättern an nackten, braunen Trieben. Neben den aus China, Korea und Japan stammenden, stark züchterisch veränderten Zierpflanzen (Hybriden) gibt es mehrere natürliche Arten, unter anderem eine, die in Europa auf der Balkanhalbinsel beheimatet ist. Sie blüht im April und wird nur selten als Zierpflanze außerhalb von botanischen Sammlungen kultiviert.

Zusammenfassung

Winter-Jasmin blüht ab Weihnachten bis etwa März, dann beginnen auch Forsythien zu blühen. Winter-Jasmin bildet wirre, herabhängende Sträucher, Forsythien wachsen aufrecht. Die Triebe des Winter-Jasmins sind grün, die der Forsythie braun. Die 5-6 Kronblätter des Winter-Jasmins sind rundlich und tellerförmig zusammengewachsen, Forsythien haben 4 kelchförmig zusammengewachsene Kronblätter.

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Phänologie: Spätherbst – Vorbereitung auf den Winter

Laubblätter sorgen mit ihrer Oberflächenstruktur dafür, dass das Wasser, welches die Pflanzen über ihre Wurzeln aufnehmen, wieder verdunstet. Das Absterben der Blätter im Herbst sorgt also dafür, dass sie nicht vertrocknen, wenn der Frost das Wasser im Boden gefrieren lässt. Der Spätherbst stellt die letzte phänologische Jahreszeit vor der Vegetationsruhe dar und ist dann eingeläutet, wenn sich das Laub der Stiel-Eiche herbstlich verfärbt und viele andere Laubgehölze ihre Blätter abwerfen.

Laubfärbung Stiel-Eiche

Du findest Stiel-Eichen (Quercus robur) vom Norddeutschen Tiefland bis auf über 1000 Meter Höhe in den Alpen. Ihr Verbreitungsgebiet reicht weit über Mitteleuropa hinaus, bis in den Kaukasus. Nachdem die nun nicht mehr benötigten Chlorophylle abgebaut wurden und die anderen Pflanzenstoffe sichtbar werden (Carotinoide machen die Blätter gelb, rote Farbtöne entstehen durch Anthocyane, und braune Tönungen durch wasserlösliche Farbstoffe, die erst nach dem Absterben der Blätter auftreten), leuchtet herbstliches Eichenlaub in Gelb- und Brauntönen.

Blattfall Eberesche

Der Blattfall der Eberesche (Sorbus aucuparia) wird vom Deutschen Wetterdienst als weitere Leitphase für den Eintritt des Spätherbstes definiert. Die Laubblätter der Eberesche sitzen wechselständig an den Zweigen und sind klar in Blattstiel und Blattspreite gegliedert. Mit ihrer kräftig roten Herbstfärbung sind sie ein beliebter Blickfang. Die Früchte der Eberesche, die sogenannten Vogelbeeren, hängen oft den ganzen Winter hinweg in Büscheln am Baum, und sind in dieser Zeit eine wichtige Nahrung für Singvögel.“

Ein Hauch von Grün

Typisch für den Spätherbst sind auch zartgrüne Ackerflächen, denn auch der Aufgang des Wintergetreides dient als Marker für diese phänologische Jahreszeit. Winterweizen, welcher Mitte September ausgesät wird, keimt nach etwa 15-20 Tagen und zeigt nun die ersten grünen Triebe. Erst im Frühjahr setzt jedoch das Streckungswachstum ein und die Blätter entwickeln sich.

 

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Krokusse im Herbst? Die Herbst-Zeitlose im Portrait.

Ein zarter Herbst-Bote
Etwa 100 Arten zählt die der Familie der Zeitlosengewächse (Colchicaceae). Der wahrscheinlich bekannteste Vertreter ist die Herbst-Zeitlose (Colchicum autumnale), die mit ihren hell-violetten Blüten im Spätsommer bis Herbst für so manchen letzten blühenden Farbtupfer auf unseren Wiesen sorgt. Daher auch der Name, der den Beginn der Herbstzeit „lost“ (vorhersagt). Nicht selten werden sie von Passant:innen für Herbstkrokusse (Crocus sp.) gehalten, aber diese gehören einer ganz anderen Pflanzenfamilie an, den Schwertliliengewächsen (Iridaceae).
6 Staubblätter oder 3?
Die Herbst-Zeitlose ist eine krautige, äußerst giftige Pflanze, aus deren Sprossknolle ein bis fünf Blüten treiben. Im Allgemeinen sind diese mit etwa 20 cm Länge deutlich größer als Krokusse. Wer schnell und sicher wissen will, was man vor sich hat, zählt die Staubblätter. Die Herbst-Zeitlose hat sechs davon, ein Krokus nur drei.
Herbst-Zeitlose treiben Blätter ohne Blüten
Krokusse treiben ihre Blüten zusammen mit ihren Blättern aus. Die Blätter der Herbst-Zeitlose findet man hingegen vor allem im Frühsommer, immer ohne Blüten. Hier kann es zu einer ganz anderen, gefährlichen Verwechslung kommen: Die teilen sich ihren Standort nicht selten mit dem gern gesammelten (und verzehrten) Bärlauch (Allium ursinum). Wie man im Frühjahr vermeidet, Bärlauch mit anderen Pflanzen zu verwechseln, kannst Du hier nachlesen: So kannst Du Bärlauch sicher von Maiglöckchen, Herbst-Zeitlose, Aronstab und Salomonsiegel unterscheiden

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Phänologie: Vollherbst

Ein Blick in die Natur zeigt: Reife Kornelkirschen liegen auf dem Boden und die Herbst-Zeitlosen sind verblüht. Eine neue phänologische Jahreszeit beginnt: Der Vollherbst. Vielleicht beschert er uns einen „Goldenen Oktober“ mit vielen warmen Tagen, aber das Wetter ist kein Anzeiger der Phänologie. Diese beachtet den alljährlich gleich ablaufenden Entwicklungszyklus von Pflanzen, und so ist der Vollherbst bestimmt durch die Fruchtreife der Stiel-Eiche, dann folgen späte Birnensorten und Weinreben. Der Höhepunkt ist die Laubfärbung der Rosskastanie. Das Ende des Vollherbstes tritt ein, wenn sich das Laub von Rot-Buche und Stiel-Eiche verfärbt und beginnt zu fallen. Im Mittel dauert der Vollherbst vom 17. September bis zum 19. Oktober.

Eicheln

Die Stiel-Eiche (Quercus robur) gehört zur Familie der Buchengewächse. Sie ist in Europa weit verbreitet und verträgt sowohl (kurze) Staunässe als auch Trockenphasen. Entsprechend findet man sie sowohl im Tiefland als auch auf Höhen von bis zu 100 m NHN. Im April-Mai blüht die Stiel-Eiche, und spätestens dann erkennt man auch ihr namensgebendes Element: Die Blüten (und später die Eicheln) sitzen an 4-6 cm langen Stielen. Eicheln sind eine wichtige Nahrungsquelle für viele Vogel- und Säugetierarten (Eichelhäher, Eichhörnchen!)

Späte Birnensorten

Äpfel und Birnen zu vergleichen ist selten eine gute Idee, aber eines kann man ganz gut sagen: Birnen (Pyrus communis) brauchen mehr Wärme als Äpfel, um ihr volles Aroma zu entfalten. Frühe Birnensorten müssen schnell verzehrt werden und sind nicht lagerfähig. Die im Herbst reifenden Früchte können – je nach Sorte – bis über den Winter gelagert werden. Klassische aromatische Birnensorten sind Conférence und Gellerts Butterbirne. Unter den Neuheiten punktet die ertragreiche Sorte „David“ mit festen, süßen, saftigen Früchten und einem Reifezeitpunkt von Anfang bis Mitte Oktober.

Weintrauben

Die Weinrebe (Vitis vinifera) ist die Heilpflanze des Jahres 2023, denn ihre Früchte (Weinbeeren) sind reich an sekundären Pflanzeninhaltsstoffen. Diese sind vor allem in den Kernen der Beeren konzentriert. Man findet sie aber auch in der Schale und im Laub roter Trauben. Ob eine Traube reif zur Ernte ist, erkennt man daran, dass alle ihre Beeren verfärbt sind und die Fruchtstiele verholzt. Außerdem sind in den Beeren die Kerne braun und nicht mehr cremefarben, und sie lösen sich leicht vom umgebenden Fruchtfleisch. Die Trauben werden am besten mit einer Schere komplett vom Trieb abgeschnitten und sind im Kühlschrank bis zu 14 Tage lang haltbar – wenn verdorbene Beeren zuvor entfernt wurden.

Rosskastanie
Es gibt mehrere Arten der Gattung Rosskastanie, phänologisch interessant ist die Gewöhnliche Rosskastanie Aesculus hippocastanum. Übrigens: Die Edelkastanie, Castanea sativa, von der die leckeren Maroni stammen, ist mit den Rosskastanien nicht verwandt! Die Rosskastanie stammt aus den Mittelgebirgen des Balkans und wird in Mitteleuropa seit dem 16. Jahrhundert als Straßenbaum verbreitet angepflanzt. Weissblühende Rosskastanien leiden oft unter dem Befall der Miniermotte. Dieser führt zu einem vorzeitigen Welken und Abfallen der Blätter im August bis Anfang September. Wenn Du die Laubfärbung der Rosskastanie als Anzeiger für Phänologie dokumentieren möchtest, nutze also bitte gesunde Bäume.

 

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#Krautschau im Frühherbst: Ritzenrebellen in der Stadt

Krautschau – auch im Herbst!

Klein(st)e Pflanzen in Pflasterritzen, Mauern, am Wegrand oder in dunklen Fugen – sie bilden wertvolle Korridore, in denen Insekten und andere Kleinstlebewesen Nahrung und Lebensraum finden. Sie kühlen den Boden, binden Staub und führen über ihre Wurzeln Oberflächenwasser ins Erdreich ab. Damit leistet das “Unkraut” einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung des Stadtklimas. Möchtest Du einen wissenschaftlichen Beitrag leisten und kartieren, was in Deiner Stadt, in Deinem Dorf in Mauern und Ritzen gedeiht? Bis zu 550 Arten sind das deutschlandweit! Schalte in den Einstellungen der Flora-Incognita App mit dem Code KRA VT5 HAV das Krautschau-Projekt frei, und gib jeder relevanten Beobachtung das Stichwort „Krautschau“ mit. Mehr zum Projekt findest Du auf unserer Webseite. Danke! Und nun schauen wir uns eine kleine Auswahl dessen an, was bei einer kurzen Runde durch Jena in Thüringen zu finden war.

Weiße Taubnessel
Taubnesseln sind nicht mit der Brennnessel verwandt. Sie gehören zu den Lippenblütlern und haben keine Brennhaare auf den Blättern. Die Weiße Taubnessel (Lamium album) kann, wenn sie sich nicht in kleine Ritzen pressen muss, fast einen Meter groß werden. Die Pflanze ist ein Dauerblüher: Von April bis in den Oktober hinein bilden sich die typischen Blüten, die beliebt bei Bienen und Hummeln sind.  Aus der Blüte entstehen später sogenannte Klausenfüchte. Sie besitzen ein weißliches Ölkörperchen (Elaiosom), welches Ameisen unwiderstehlich finden. Sie sorgen somit für eine verlässliche Verbreitung der Pflanze an neue Standorte. Zudem breitet sich die Weiße Taubnessel auch noch durch Ausläufer aus.

 

Gehörnter Sauerklee
Oxalis corniculata wird auch als Horn-Sauerklee bezeichnet. Seine gelben Blüten öffnen sich nur bei direktem Sonnenlicht, von Mai bis Oktober. Typisch sind zudem die rot anlaufenden Blätter und Stängel. Diese Einfärbung dient zum Schutz vor UV-Strahlung. Die Pflanze stammt ursprünglich aus dem Mittelmeerraum, ist aber heute nahezu weltweit verbreitet. Sie bildet im Jahresverlauf dichte Kissen, weshalb sie im Garten- und Landschaftsbau sowohl zur schnellen Begrünung geschätzt, als auch als Unkraut geächtet ist. Wer sich an ihr stört: Bald ist sie nicht mehr zu sehen. Sie ist frostempfindlich und stirbt mit den ersten kalten Nächten oberflächlich ab. Aus ihrer tiefen Pfahlwurzel wird sie dann erst im Frühjahr erneut austreiben.

 

Gewöhnliche Wegwarte
Die Gewöhnliche Wegwarte (Cichorium intybus) gehört zu den Korbblütlern und wächst auf nährstoffreichen, trockenen Böden – häufig an Wegrändern. Bekannt sind ihre Zuchtformen: Chicorée, Zuckerhut, Radicchio sind einige davon. Manche kennen vielleicht auch noch Landkaffee, den Bohnenkaffee-Ersatz aus Wurzelzichorie. Ihre himmelblauen Blüten, die sich nur am Vormittag öffnen, sollen die blauen Augen eines verwandelten Burgfäuleins sein, welches auf die Rückkehr ihres Liebsten von den Kreuzzügen wartet. Manche sehen in ihr auch die „Blaue Blume“ der Romantik, ein zentrales Symbol für Sehnsucht und Liebe. Im Mittelalter sagte man ihr nach, sie würde den Träger unverwundbar machen. Heute wäre es zumindest schön, sie ab und an noch blühend sehen zu dürfen.

 

Rote Schuppenmiere
Die Rote Schuppenmiere (Spergularia rubra) gehört zu den Nelkengewächsen. Sie mag es lehmig und ist ein Anzeiger für verdichteten Boden. Die kleine krautige Pflanze blüht von Mai bis September und bestäubt sich selbst, manchmal wird sie aber auch von Fliegen angeflogen. Sie bildet von Juli bis Oktober Samenkapseln, in denen verschiedenen Rüsselkäferlarven heranwachsen – wie zum Beispiel *Sibinia variata*, der Sandfarbene Schuppenmierenrüssler. Dieser ist in Deutschland gefährdet, und je nach Region sogar schon ausgestorben.

 

 

Blutrote Fingerhirse
Fast weltweit verbreitet ist die Blutrote Fingerhirse (Digitaria sanguinalis). Sie gehört zu den Fingerhirsen, und damit auch zu den Süßgräsern. Je nach Standort kann sie bis zu 80 cm groß werden. Sie gehört, wie auch Mais und Zuckerrohr, zu den C4-Pflanzen, die eine effizientere Form der Fotosynthese betreiben. Bei der Fotosynthese werden aus Kohlenstoffdioxid und Wasser unter Einfluss von Lichtenergie Sauerstoff und Zucker gebildet. Bei C4-Pflanzen gibt es hierfür zwei verschiedene Zelltypen. In Zellen des Blattgewebes wird zunächst CO2 aufgenommen und gespeichert. Dadurch wird das zentrale Enzym der anschließenden Umwandlung in Zucker stets mit ausreichend CO2 versorgt – auch dann, wenn die Spaltöffnungen aufgrund von Trockenheit oder Hitze geschlossen sind.

Kleines Liebesgras
Das Kleine Liebesgras (Eragrostis minor) ist ein typischer Krautschau-Fund, denn dieses Süßgras gehört zu den ruderalen Trittpflanzengesellschaften und ist vor allem in Städten verbreitet. Wer genau hinsieht, kann erkennen, dass das Blatthäutchen bei diesem Gras als Haarsaum ausgebildet ist. Das Kleine Liebesgras wurde aus dem Mittelmeerraum Ende des 18. Jahrhunderts nach Deutschland eingeschleppt und breitet sich seit dem rasch aus. Der Gattungsname setzt sich aus dem griechi­schen eros = Liebe und agrostis = Gras zusam­men.

 

 

Gewöhnlicher Natternkopf
Der Gewöhnliche Natternkopf (Echium vulgare) gehört zu den Borretschgewächsen und wächst meistens zweijährig: Im ersten Jahr bildet sich die am Boden liegende Blattrosette, und im Folgejahr der Blütenstand. Er wird, je nach Standort, 20 cm bis über einen Meter groß, und bildet eine entsprechend lange Pfahlwurzel aus. Er blüht von Mai bis Juli, aber häufig gibt es noch eine Spätblüte bis in den Oktober hinein. In den sogenannten Lippenblumen ist reichlich Nektar für Bestäuber vorhanden, und so kann man nicht nur Bienen und Schwebfliegen, sondern auch über 40 Schmetterlingsarten an seinen Blüten beobachten.

 

 

Dieser Artikel wurde im Herbst 2023 in der Flora-Incognita-App als Story angezeigt. In der App findest Du jederzeit spannende Informationen zu Pflanzen, Ökologie, Artenkenntnis, sowie Tipps und Tricks zum Pflanzenbestimmen. Schau‘ doch mal rein!