Thymian – Lecker, aber ein Albtraum für Botaniker:innen

„Mediterraner“ Thymian?

Getrocknet in Tomatensauce, gespickt im Lamm-Steak, eingelegt in Olivenöl – Wer kennt ihn nicht, den unvergleichlichen Geschmack von Thymian? Oft ruft er Erinnerungen wach an einen Urlaub in Italien oder die mediterrane Küche. Aber wusstest Du, dass Thymian in Thüringen und Deutschland „wild“ verbreitet ist – sogar mit einer Vielzahl von Arten und Unterarten? Ein typischer Vertreter ist der Frühblühende Thymian (Thymus praecox).

Altbewährtes Heilmittel

Thymiane (*Thymus* L.) werden mindestens seit der Antike für kulinarische und medizinische Zwecke kultiviert – zahlreiche enthaltene ätherische Öle besitzen gesundheitsfördernde Eigenschaften: Sie sind antiseptisch, antibakteriell, antifungal, antioxidativ, und antikanzerogen. Thymiane sind eine der wirtschaftlich wichtigsten, aber auch eine der artenreichsten Gruppen innerhalb der Lippenblüter (Lamiaceae).

Botanischer Steckbrief

Thymianpflanzen sind ausdauernd, wachsen kriechend bis strauchförmig, und zeigen in Deutschland von Mai bis Juli weiße bis lilafarbene Blüten. Aus den durch Bienen und Hummeln bestäubten Blüten entsteht jeweils eine Zerfallsfrucht (genauer: Klausenfrucht) aus vier kleinen Nüsschen, welche vor allem durch Weidetiere verbreitet werden. Thymiane sind von Grönland, über Europa und Nordafrika, Zentralasien und Himalaya bis nach Ost-Sibirien anzutreffen, da sie an aride, temperate, und kalte Klimazonen angepasst sind.

Ist Thymian gleich Thymian?

Es gibt aktuell mehr als 350 akzeptierte Thymian-Arten, aber diese Anzahl ändert sich aufgrund neuer genetischer Untersuchungen ständig. Thymiane sind mittlerweile durch uns Menschen weltweit verbreitet. Wenn sie zusammen in einem Gebiet vorkommen, können sie sich oft untereinander kreuzen (hybridisieren). Durch Hybridisierung entstehen lokal und regional immer neue Arten – ein Albtraum für Taxonom:innen, die diesen Wirrwarr klassifizieren wollen! Der hier abgebildete Thymian ist ein Hybride aus *T. praecox* (Frühblühender Thymian) und *T. pulegioides* (Breitblättriger Thymian) (29.05.2023, © Kevin Karbstein), die ebenfalls beide in dem Gebiet vorkommen. Er besitzt Merkmale beider Elternarten – eine kriechende Wuchsform, Blätter mit starker Behaarung und dicker Wachsschicht (Kutikula) als Anpassung an sehr sonnige und trockene Standorte, und eine Sprossachse mit vierkantigem, unterschiedlich behaartem Stängel und mit einem Blütenstand aus zwittrigen oder teils rein weiblichen Blüten. Nimmt man alle heute bekannten Unterarten, Arten und Hybride zusammen, umfasst diese Liste mehr 1000 beschriebene Namen!

Die Herausforderung meistern

Der Schlüssel zur genauen Bestimmung von Thymianen liegt unter anderem in der regionalen Betrachtung. So untersuchte Kevin Karbstein, ein PostDoc unserer Forschungsgruppe, verschiedene Thymiane in den Badlands und Trockenrasen Mittelthüringens. Er konnte zeigen, dass die Thymiane dort genetisch differenziert sind und mit einem geringeren Wuchs, kleineren und robusteren Blättern, mehr Behaarung, und einem früheren Blühzeitpunkt auf das lokale Wüstenklima reagiert haben. Anpassungen an das lokale Klima können ein Startpunkt zur Bildung neuer Unterarten und schließlich Arten sein. Die Publikation ist frei verfügbar.

Arten neu verstehen lernen

Man weiß man bis heute nicht genau, welche „Arten“ innerhalb der Thymian-Gruppe wirklich vorhanden sind – denn Arten werden heutzutage anders definiert als vor 200 Jahren. Für moderne Wissenschaftler*innen bildet eine Art eine separate genetische Linie in Raum und/oder Zeit. Der bisherige Standard, Pflanzenarten anhand von sichtbaren (morphologischen) Merkmalen wie Blütenfarbe, Blattform oder Behaarung zu beschreiben, wird zunehmend von diesem neuen Verständnis abgelöst, spielt jedoch für die Artauftrennung („integrative Taxonomie“) und Identifizierung weiterhin eine große Rolle. In einem neuen Projekt unserer Arbeitsgruppe sollen nun mittels modernster genetischer, morphologischer als auch ökologischer Verfahren und Methoden der künstlichen Intelligenz (Machine Learning) die Artentstehung, Evolution und Ökologie der Thymian-Gruppe genauer untersucht werden – und das weltweit.

 

Dieser Artikel wurde im Frühjahr 2023 in der Flora-Incognita-App als Story angezeigt. In der App findest Du jederzeit spannende Informationen zu Pflanzen, Ökologie, Artenkenntnis, sowie Tipps und Tricks zum Pflanzenbestimmen. Schau‘ doch mal rein!