Invasive Pflanzen in der EU Teil 5: Zwei- bis mehrjährige krautige Pflanzen

Unionsliste invasiver Arten

In der EU gibt es rund 12.000 gebietsfremde Arten. Ein kleiner Teil von ihnen erfordert besondere Aufmerksamkeit, da sie heimische Arten in ihrem Bestand gefährden können.

Die EU-Verordnung über die Prävention und das Management der Einbringung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten soll verhindern, dass sich diese Arten ausbreiten, beziehungsweise ein schnelles Reagieren ermöglichen, wenn sich erste Anzeichen einer Ausbreitung zeigen. Um welche Arten genau es sich handelt, steht in der „Unionsliste“. Von den insgesamt 88 aufgeführten invasiven Arten sind 40 Gefäßpflanzen. In dieser Artikel-Serie, die zunächst in der Flora-Incognita-App veröffentlicht wurde, stellen wir diese vor. Auf unserer Website findest Du außerdem die Beiträge zu invasiven Sträuchern und Bäumen, Gräsern, Wasser- und Kletterpflanzen zum Nachlesen. In Teil 5 geht es um zwei- bis mehrjährige krautige (also nicht verholzende) Pflanzen.

Gunnera tinctoria, das Mammutblatt

Die auch als Chilenischer Riesenrhabarber bezeichnete Gunnera tinctoria wurde 1849 in England eingeführt. Von dort sind seit 1908 verwilderte Bestände bekannt, seit den 1930er Jahren auch aus Irland. In weiteren europäischen Ländern gibt es bereits vereinzelte und etablierte Populationen. Das Mammutblatt liebt Uferbereiche von Fließ- und Stillgewässern, aber auch Straßenränder und Steinbrüche. Es bildet Dominanzbestände, die alle ursprüngliche Vegetation beschattet und damit verdrängt. Zudem beeinflusst das dichte Rhizomsystem des Mammutblatts den Nährstoffhaushalt des Bodens.

Heracleum persicum, der Persische Bärenklau

Heracleum persicum wurde als Zierpflanze für Botanische Gärten aus Zentralasien nach Europa eingeführt. Derzeit kommt er verwildert nur in Nordeuropa vor, wo er sich rasch an der Meeresküste und an Flussläufen ausbreitet und durch Dominanzbestände andere Arten verdrängt. Die genaue Abgrenzung zu den beiden anderen Heracleum-Arten der Unionsliste stellt selbst Expert:innen mitunter vor eine Herausforderung:

Heracleum mantegazzianum, der Riesen-Bärenklau

Der aus dem West-Kaukasus stammende Riesen-Bärenklau (Heracleum mantegazzianum) galt als gute Bienenweide und war zudem beliebt als Anpflanzung von Deckungsgrün für Wildtiere. Durch Bauschutt und Gartenabfälle wurde die Art rasch weiter verbreitet. Mit bis zu fünf Metern Höhe, einem Stängeldurchmesser von etwa 10 cm und Blättern, die bis zu zwei Meter lang werden sind sie imposante Gewächse, die allerdings erhebliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben. Ihr Saft enthält phototoxische Inhaltsstoffe, die bei Berührung und Sonneneinstrahlung schwere Hautentzündungen und Verbrennungen hervorrufen können. Dichte Bestände dieser Art haben negative Auswirkungen auf die Pflanzenzusammensetzung und die Samenbank im Boden. Das Management des Riesen-Bärenklaus wird in Deutschland auf 10 Millionen Euro pro Jahr geschätzt.

Heracleum sosnowskyi, der Sosnowskyi-Bärenklau

Auch Heracleum sosnowskyi wurde als Zierpflanze und Bienenweide nach Europa eingeführt. Wie die anderen beiden Heracleum-Arten verbreitet er sich über Sprossteile in Erd- und Bodentransporten, sowie durch die zahlreichen Samen, die pro Saison ausgebildet werden. In den baltischen Staaten, dem europäischen Teil Russlands und in der Ukraine gibt es bereits stabile Populationen, in weiteren Ländern gibt es unbeständige Funde. Wie die anderen Heracleum-Arten auch verdrängt er bestehende Vielfalt, verändert die Bodenchemie und führt bei Berührung zu starken phototoxischen Verbrennungen.

Lespedeza cuneata, der Japanische Klee

Der Japanische Klee (Lespedeza cuneata) gilt als gute Futterpflanze und wurde möglicherweise über Heuimporte nach Europa eingeschleppt. Auch die Auswilderung aus gärtnerischen Einrichtungen gilt als möglicher Importweg. Vor allem Regionen im nördlicheren Europa mit trockneren Wintern und feuchten Sommern könnten von dieser Art besiedelt werden; Wiesen, Weiden, naturnahes Grasland und Heideland sind bevorzugte Habitate. Studien aus anderen Regionen zeigen, dass die Art andere durch dichte Bestände verdrängt, den Boden durch Stickstoffanreicherung chemisch verändert und mehr Bestäuber anzieht als gleichzeitig blühende einheimische Arten.

Koenigia polystachya, der Himalaja-Bergknöterich

In seinem natürlichen Verbreitungsgebiet besiedelt der Himalaja-Bergknöterich (Koenigia polystachya) Wälder und Täler in hohen Lagen zwischen 2.200 und 4.500 m. Er vermehrt sich sowohl über Samen als auch vegetativ. Schon Stängelabschnitte von einem Zentimeter können ausreichen, um eine neue Kolonie zu gründen. Einmal etabliert, bildet die Art dichte Bestände aus, die den sensiblen heimischen alpinen bis subalpinen Arten keinen Raum mehr lassen. Aber auch außerhalb von Gebirgen findet man den Himalaja-Bergknöterich entlang von Straßenrändern und anderen Transportwegen wie Bahnschienen, an Waldrändern und Wiesen, Gewässerufern, in Feuchtgebieten und in Städten und Dörfern.

Lysichiton americanus, die Gelbe Scheincalla

Schön anzusehen, doch eine Gefahr für die regionale Artenvielfalt: die Gelbe Scheincalla (Lysichiton americanus) hielt als Zierpflanze Einzug in Europa, und wurde mitunter absichtlich ins Freiland ausgebracht. An naturnahen, beschatteten Ufern von Fließgewässern, Quellen, Sümpfen und Bruchwäldern verbreitet sie sich vor allem vegetativ, aber auch über die vielen Samen, die sie ausbildet (300 bis 650 pro Kolben). Pflanzen dieser Art können bis zu 80 Jahre alt werden und wachsen langsam – was sie von anderen, sich eher aggressiv ausbreitenden invasiven Arten unterscheidet. In Finnland, Schweden, Dänemark, Irland, Großbritannien, Niederlande, Belgien, Frankreich, Deutschland, und der Schweiz wurde sie bereits nachgewiesen. Die etwa 1 Meter großen kräftigen Pflanzen verdrängen empfindliche Arten der Feuchtgebiete durch Konkurrenz um Ressourcen.

Ausbreitung dokumentieren

Wenn Du Pflanzen mit Flora incognita bestimmst und dabei den Standort freigibst, wird Dein Fund Teil einer wissenschaftlichen Datensammlung, die unseren Wissenschaftler:innen ermöglicht, die Verbreitung von Arten in Zeit und Raum zu erforschen. Unsere Forschungsarbeiten kannst Du hier nachlesen. Aber auch naturschutzfachliche Management-Maßnahmen lassen sich mit diesen Daten schnell und effektiv planen und durchführen. Danke für Deine Hilfe!

Achtung! Die auf der Unionsliste geführten Arten dürfen nicht vorsätzlich in das Gebiet der EU verbracht werden, gehalten, gezüchtet, gehandelt, verwendet, getauscht, zur Fortpflanzung gebracht und in die Umwelt freigesetzt werden!

Titelbild: Persischer Bärenklau. Tromsopalme-topdown.jpg von Krister Brandser. Public Domain.