Kuriositäten am Baum: Haareis, Grünalgen, Elfenaugen, Hexenbesen

Bäume zeigen oft außergewöhnliche Wuchsformen und Oberflächen. Eine Reihe von Einflüssen unterschiedlichster Art und Standortfaktoren bewirken jedoch ganz besondere Anomalien und kuriose Erscheinungsformen. Vielen dieser Strukturen werden mystische oder gar magische Eigenschaften zugeschrieben – schauen wir uns mal an, was tatsächlich dahintersteckt.

Elfenaugen

Sie werden auch Engelsaugen, Feenfenster oder Baumkuss genannt und entstehen, wenn Äste oder Baumteile so wachsen, dass sie eine Art Fenster bilden. Leider liegt der Grund für die „Verschmelzung“ nicht darin, dass magische Geschöpfe ihre Kräfte im Spiel haben. Die Realität ist: sie entstehen, wenn Stämme oder Äste erst auseinanderdriften und später wieder aufeinander zu wachsen. Berühren sich Baumteile, kann es windbedingt zu Reibung kommen, und dadurch entstehen Rindenverletzungen. Eine Art Wall (Kallus) aus ungerichtetem Zellgewebe umschließt schließlich diese Verletzungen, und so kommt es im Laufe der Zeit zu einer immer festeren Verbindung der Baumteile – auch von unterschiedlichen Arten. An Rotbuchen, Platanen, Feldahorn oder Hainbuchen sind Elfenaugen relativ häufig zu beobachten.

Zwei Elfenaugen an einem Feldahorn, ThüringenForst

Zwei Elfenaugen an einem Feldahorn, ThüringenForst

Haareis

Spaziert man an einem windstillen, kalten, schneelosen Wintertag durch einen Buchen- oder Laubmischwald, kann man an Totholz bizarre Gebilde entdecken, die an Zuckerwatte erinnern: schneeweiße, dichte, wellig gebogene, haarfeine Fäden, die quer zur Achse des Astes an rindenfreien Stellen „wachsen“. Auch hierbei handelt es sich nicht um Spuren von Elfen, sondern was wir sehen ist das Resultat des Stoffwechsels eines Pilzes, der den schönen Namen Rosagetönte Gallertkruste (Exidiopsis effusa) trägt. Sein aerober Stoffwechsel produziert Gase, die das im Holz vorhandene Wasser an die Oberfläche verdrängen, wodurch „Eisfasern“ entstehen, die 30 – 100 mm lang und zum Teil nur 0,02 mm dick sind. Das Haareis dient dem Pilz vermutlich als eine Art Frostschutzmittel, da das Wasser nicht im Ast, sondern außerhalb gefriert und dabei Wärme entsteht.

Haareis, ThüringenForst

Haareis, ThüringenForst

Hexenbesen

Sie sind nicht das bevorzugte Transportmittel von Hexen, sondern ein Massenaustreiben von Sprossen aus schlafenden Knospen – hervorgerufen meist durch parasitäre Pilze. Alternative Gründe können Knospenmutationen, Viren, Milben oder der Befall mit bestimmten Bakterien sein. Die besen- oder nestförmige Astwucherungen finden sich meist an gestauchten Seitenästen von Laub- oder Nadelbäumen und sind besonders im Winter gut erkennbar. Aber nicht nur die kuriose Art der Wucherung ist besonders: Auch die Form, Färbung und Größe der Nadeln oder Blättern am Hexenbesen können sich deutlich von denen der restlichen Pflanze unterscheiden. Ihre Größe kann einen Durchmesser von mehreren Dezimetern bis teils Metergröße erreichen. Das Innere der Hexenbesen bietet einer Vielzahl von Kleinstlebewesen wie Insekten und Milben Lebensraum.

Hexenbesen an einer Buche im Winterzustand, ThüringenForst

Hexenbesen an einer Buche im Winterzustand, ThüringenForst

Orangefarbene Grünalgen

Auf der Rindenoberfläche von Bäumen sind seit einigen Jahren mehr oder weniger intensiv ausgeprägte orangerote Beläge zu beobachten. Auffällig ist diese Erscheinung vor allem in der Nähe von Gewässern, aber auch in kühlen schattigen Niederungen mit einer hohen Luftfeuchtigkeit. Es handelt sich hierbei um eine Besiedlung mit Schuppengrünalgen (Trentepohliaceae). Diese Luftalgen (Aerophyten) können außerhalb des Wassers wachsen und decken ihren Feuchtigkeitsbedarf allein über den Regen oder eine hohe Luftfeuchtigkeit. Ihre orangene Farbe entsteht durch die in Öl gelösten Carotinoide, welche das Chlorophyllgrün überdecken. Diese Algen sind Zeigerpflanzen, und ein Indiz für den Rückgang der sauren SO2-Emissionen und die Zunahme der stickstoffhaltigen Emissionen in den vergangenen Jahrzehnten. Die Besiedelung der Rindenoberfläche durch Grünalgen hat keine negativen Auswirkungen auf den Stoffwechsel des Baumes und stellt lediglich eine optische Auffälligkeit dar.

Grünalgen an einem jungen Ahorn, ThüringenForst

Grünalgen an einem jungen Ahorn, ThüringenForst

Der Walddoktor

Die Story-Serie „Der Walddoktor“ entsteht in Zusammenarbeit des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie und der TU Ilmenau mit dem Forstlichen Forschungs- und Kompetenzzentrum Gotha von ThüringenForst im Rahmen des Projektes „Der Walddoktor“. Dieses wird durch das Bundesamt für Bildung und Forschung, das Förderprogramm „Wir! – Wandel durch Innovation in der Region“ und das Bündnis Holz-21-regio gefördert.“