Invasive Pflanzen in der EU Teil 6: Einjährige Pflanzen

Unionsliste invasiver Arten

In der EU gibt es rund 12.000 gebietsfremde Arten. Ein kleiner Teil von ihnen erfordert besondere Aufmerksamkeit, da sie heimische Arten in ihrem Bestand gefährden können.

Die EU-Verordnung über die Prävention und das Management der Einbringung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten soll verhindern, dass sich diese Arten ausbreiten, beziehungsweise ein schnelles Reagieren ermöglichen, wenn sich erste Anzeichen einer Ausbreitung zeigen. Um welche Arten genau es sich handelt, steht in der „Unionsliste“. Von den insgesamt 88 aufgeführten invasiven Arten sind 40 Gefäßpflanzen. In einer Artikel-Serie, die zunächst in der Flora-Incognita-App veröffentlicht wurde, stellen wir diese vor. Auf unserer Website findest Du außerdem die Beiträge zu invasiven Sträuchern und BäumenGräsern, Wasser- und Kletterpflanzen sowie mehrjährigen krautigen Pflanzen zum Nachlesen. In diesem Beitrag geht es um einjährige krautige (also nicht verholzende) Pflanzen.

Impatiens glandulifera, das Drüsige Springkraut

Das aus Indien stammende Drüsige Springkraut (Impatiens glandulifera) ist in weiten Teilen Europas verbreitet, wo es vor allem feuchte Wälder sowie Auen- und Uferlandschaften besiedelt. Die Pflanzen können sehr schnell über 2,5 Meter groß werden und bilden ein dichtes, flaches Wurzelgeflecht. Durch ihre großen Blätter und dichten Bestände beschatten sie ihren Standort so stark, dass sich im Jahresverlauf keine anderen Pflanzen ansiedeln können. Stirbt das Springkraut im Herbst ab, bleibt der Boden kahl und anfällig für Erosion zurück. Das ist insbesondere an Wasserläufen problematisch. Da es einjährig ist, kann man erste Ansiedlungen des Springkrauts noch gut bekämpfen, indem man die Pflanzen vor der Samenreife tief abschneidet. Auch ein Ausreißen ist wirksam, wenn alle Pflanzenteile schnell kompostiert werden. Verbleiben Sprossteile in der Erde, schlagen sie sehr schnell neue Wurzeln.

Parthenium hysterophorus, das Karottenkraut

Von März bis November blüht das Karottenkraut (Parthenium hysterophorus). In Belgien und Polen gibt es bereits Bestände, die aktuell bekämpft werden. Durch den Klimawandel gehen Expert:innen davon aus, dass weitere Regionen für eine Besiedlung in Frage kommen werden.  Schon wenige Pflanzen produzieren sehr viele Samen, die vom Wind weit verbreitet werden und lange keimfähig bleiben. In Weide- und Ackerflächen sowie im Gartenbau gilt das Karottenkraut als besonders problematisch, da die Art allelopathische Eigenschaften hat – sie gibt Stoffe an ihre Umgebung ab, die das Wachstum anderer Pflanzen unterdrückt. Aber auch für den Menschen ist die Art nicht ohne: Die Inhaltsstoffe können Heuschnupfen und Dermatitis auslösen.

Ausbreitung dokumentieren

Wenn Du Pflanzen mit Flora incognita bestimmst und dabei den Standort freigibst, wird Dein Fund Teil einer wissenschaftlichen Datensammlung, die unseren Wissenschaftler:innen ermöglicht, die Verbreitung von Arten in Zeit und Raum zu erforschen. Unsere Forschungsarbeiten kannst Du hier nachlesen. Aber auch naturschutzfachliche Management-Maßnahmen lassen sich mit diesen Daten schnell und effektiv planen und durchführen. Danke für Deine Hilfe!

Achtung! Die auf der Unionsliste geführten Arten dürfen nicht vorsätzlich in das Gebiet der EU verbracht werden, gehalten, gezüchtet, gehandelt, verwendet, getauscht, zur Fortpflanzung gebracht und in die Umwelt freigesetzt werden!

Titelbild: Drüsiges Springkraut. (MHNT) Impatiens glandulifera.jpg von Didier Descouens. CC BY-SA 4.0

Invasive Pflanzen in der EU Teil 5: Zwei- bis mehrjährige krautige Pflanzen

Unionsliste invasiver Arten

In der EU gibt es rund 12.000 gebietsfremde Arten. Ein kleiner Teil von ihnen erfordert besondere Aufmerksamkeit, da sie heimische Arten in ihrem Bestand gefährden können.

Die EU-Verordnung über die Prävention und das Management der Einbringung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten soll verhindern, dass sich diese Arten ausbreiten, beziehungsweise ein schnelles Reagieren ermöglichen, wenn sich erste Anzeichen einer Ausbreitung zeigen. Um welche Arten genau es sich handelt, steht in der „Unionsliste“. Von den insgesamt 88 aufgeführten invasiven Arten sind 40 Gefäßpflanzen. In dieser Artikel-Serie, die zuvor in der Flora-Incognita-App veröffentlicht wurde, stellen wir diese vor. Auf unserer Website findest Du außerdem die Beiträge zu invasiven Sträuchern und Bäumen, Gräsern, Wasser- und Kletterpflanzen zum Nachlesen. In Teil 5 geht es um zwei- bis mehrjährige krautige (also nicht verholzende) Pflanzen.

Gunnera tinctoria, das Mammutblatt

Die auch als Chilenischer Riesenrhabarber bezeichnete Gunnera tinctoria wurde 1849 in England eingeführt. Von dort sind seit 1908 verwilderte Bestände bekannt, seit den 1930er Jahren auch aus Irland. In weiteren europäischen Ländern gibt es bereits vereinzelte und etablierte Populationen. Das Mammutblatt liebt Uferbereiche von Fließ- und Stillgewässern, aber auch Straßenränder und Steinbrüche. Es bildet Dominanzbestände, die alle ursprüngliche Vegetation beschattet und damit verdrängt. Zudem beeinflusst das dichte Rhizomsystem des Mammutblatts den Nährstoffhaushalt des Bodens.

Heracleum persicum, der Persische Bärenklau

Heracleum persicum wurde als Zierpflanze für Botanische Gärten aus Zentralasien nach Europa eingeführt. Derzeit kommt er verwildert nur in Nordeuropa vor, wo er sich rasch an der Meeresküste und an Flussläufen ausbreitet und durch Dominanzbestände andere Arten verdrängt. Die genaue Abgrenzung zu den beiden anderen Heracleum-Arten der Unionsliste stellt selbst Expert:innen mitunter vor eine Herausforderung:

Heracleum mantegazzianum, der Riesen-Bärenklau

Der aus dem West-Kaukasus stammende Riesen-Bärenklau (Heracleum mantegazzianum) galt als gute Bienenweide und war zudem beliebt als Anpflanzung von Deckungsgrün für Wildtiere. Durch Bauschutt und Gartenabfälle wurde die Art rasch weiter verbreitet. Mit bis zu fünf Metern Höhe, einem Stängeldurchmesser von etwa 10 cm und Blättern, die bis zu zwei Meter lang werden sind sie imposante Gewächse, die allerdings erhebliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben. Ihr Saft enthält phototoxische Inhaltsstoffe, die bei Berührung und Sonneneinstrahlung schwere Hautentzündungen und Verbrennungen hervorrufen können. Dichte Bestände dieser Art haben negative Auswirkungen auf die Pflanzenzusammensetzung und die Samenbank im Boden. Das Management des Riesen-Bärenklaus wird in Deutschland auf 10 Millionen Euro pro Jahr geschätzt.

Heracleum sosnowskyi, der Sosnowskyi-Bärenklau

Auch Heracleum sosnowskyi wurde als Zierpflanze und Bienenweide nach Europa eingeführt. Wie die anderen beiden Heracleum-Arten verbreitet er sich über Sprossteile in Erd- und Bodentransporten, sowie durch die zahlreichen Samen, die pro Saison ausgebildet werden. In den baltischen Staaten, dem europäischen Teil Russlands und in der Ukraine gibt es bereits stabile Populationen, in weiteren Ländern gibt es unbeständige Funde. Wie die anderen Heracleum-Arten auch verdrängt er bestehende Vielfalt, verändert die Bodenchemie und führt bei Berührung zu starken phototoxischen Verbrennungen.

Lespedeza cuneata, der Japanische Klee

Der Japanische Klee (Lespedeza cuneata) gilt als gute Futterpflanze und wurde möglicherweise über Heuimporte nach Europa eingeschleppt. Auch die Auswilderung aus gärtnerischen Einrichtungen gilt als möglicher Importweg. Vor allem Regionen im nördlicheren Europa mit trockneren Wintern und feuchten Sommern könnten von dieser Art besiedelt werden; Wiesen, Weiden, naturnahes Grasland und Heideland sind bevorzugte Habitate. Studien aus anderen Regionen zeigen, dass die Art andere durch dichte Bestände verdrängt, den Boden durch Stickstoffanreicherung chemisch verändert und mehr Bestäuber anzieht als gleichzeitig blühende einheimische Arten.

Koenigia polystachya, der Himalaja-Bergknöterich

In seinem natürlichen Verbreitungsgebiet besiedelt der Himalaja-Bergknöterich (Koenigia polystachya) Wälder und Täler in hohen Lagen zwischen 2.200 und 4.500 m. Er vermehrt sich sowohl über Samen als auch vegetativ. Schon Stängelabschnitte von einem Zentimeter können ausreichen, um eine neue Kolonie zu gründen. Einmal etabliert, bildet die Art dichte Bestände aus, die den sensiblen heimischen alpinen bis subalpinen Arten keinen Raum mehr lassen. Aber auch außerhalb von Gebirgen findet man den Himalaja-Bergknöterich entlang von Straßenrändern und anderen Transportwegen wie Bahnschienen, an Waldrändern und Wiesen, Gewässerufern, in Feuchtgebieten und in Städten und Dörfern.

Lysichiton americanus, die Gelbe Scheincalla

Schön anzusehen, doch eine Gefahr für die regionale Artenvielfalt: die Gelbe Scheincalla (Lysichiton americanus) hielt als Zierpflanze Einzug in Europa, und wurde mitunter absichtlich ins Freiland ausgebracht. An naturnahen, beschatteten Ufern von Fließgewässern, Quellen, Sümpfen und Bruchwäldern verbreitet sie sich vor allem vegetativ, aber auch über die vielen Samen, die sie ausbildet (300 bis 650 pro Kolben). Pflanzen dieser Art können bis zu 80 Jahre alt werden und wachsen langsam – was sie von anderen, sich eher aggressiv ausbreitenden invasiven Arten unterscheidet. In Finnland, Schweden, Dänemark, Irland, Großbritannien, Niederlande, Belgien, Frankreich, Deutschland, und der Schweiz wurde sie bereits nachgewiesen. Die etwa 1 Meter großen kräftigen Pflanzen verdrängen empfindliche Arten der Feuchtgebiete durch Konkurrenz um Ressourcen.

Ausbreitung dokumentieren

Wenn Du Pflanzen mit Flora incognita bestimmst und dabei den Standort freigibst, wird Dein Fund Teil einer wissenschaftlichen Datensammlung, die unseren Wissenschaftler:innen ermöglicht, die Verbreitung von Arten in Zeit und Raum zu erforschen. Unsere Forschungsarbeiten kannst Du hier nachlesen. Aber auch naturschutzfachliche Management-Maßnahmen lassen sich mit diesen Daten schnell und effektiv planen und durchführen. Danke für Deine Hilfe!

Achtung! Die auf der Unionsliste geführten Arten dürfen nicht vorsätzlich in das Gebiet der EU verbracht werden, gehalten, gezüchtet, gehandelt, verwendet, getauscht, zur Fortpflanzung gebracht und in die Umwelt freigesetzt werden!

Titelbild: Persischer Bärenklau. Tromsopalme-topdown.jpg von Krister Brandser. Public Domain.

Invasive Pflanzen in der EU Teil 3: Gräser

Unionsliste invasiver Arten

In der EU gibt es rund 12.000 gebietsfremde Arten. Ein kleiner Teil von ihnen erfordert besondere Aufmerksamkeit, da sie heimische Arten in ihrem Bestand gefährden können.

Die EU-Verordnung über die Prävention und das Management der Einbringung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten soll verhindern, dass sich diese Arten ausbreiten, beziehungsweise ein schnelles Reagieren ermöglichen, wenn sich erste Anzeichen einer Ausbreitung zeigen. Um welche Arten genau es sich handelt, steht in der „Unionsliste“. Von den insgesamt 88 aufgeführten invasiven Arten sind 40 Gefäßpflanzen. In einer Artikel-Serie, die zunächst in der Flora-Incognita-App veröffentlicht wurde, stellen wir diese vor – beginnend mit Sträuchern und Bäumen, gefolgt von Wasserpflanzen. In Teil drei geht es um invasive Gräser. Auf unserer Website findest Du außerdem Beiträge zu invasiven Kletterpflanzen sowie zu mehrjährigen, krautigen Pflanzen.

Andropogon virginicus, die Blaustängelige Besensegge

Samen des amerikanischen Steppengrases Andropogon virginicus wurden wahrscheinlich über gartenbauliche Saatgutmischungen, verschmutzte Maschinen, Kleidung und Heuimporte nach Europa gebracht, und auf einem Truppenübungsplatz in Frankreich führte vermutlich kontaminierte NATO-Munition zu seiner Einschleppung. Die Pflanze bildet ausdauernde Horste, die bis über 2 Meter groß werden können und große Mengen abgestorbenes Material enthalten, welches als brandfördernd gilt. Schnell entwickeln sie einen dichten Bewuchs, der vorhandenen Arten den Platz nimmt, sich zu entwickeln. Außerdem werden bei ihrer Zersetzung bestimmte chemische Substanzen freigesetzt, die die Fruchtbarkeit des umgebenden Bodens senken (hohes allelopathisches Potenzial).

Cortaderia jubata, das Purpur-Pampasgras

Pampasgräser sind beliebte Zierpflanzen, aber nicht alle Vertreter dieser Gattung haben invasive Eigenschaften. Zudem gestaltet sich die konkrete Artbestimmung als schwierig – manche Taxonomen gehen davon aus, dass Cortaderia jubata nur eine Unterart der ebenfalls zur Verwilderung neigenden Art Cortaderia selloana ist. Sind unreife Rispen vorhanden, kann man C. jubata von C. selloana recht gut unterscheiden, denn bei C. jubata sind diese rosa bis tiefviolett – erst im reifen Zustand werden sie cremeweiß (C. selloana – im unreifen Zustand hellviolett bis silberweiß). Zur Keimung brauchen die Samen offene, sonnige und feuchte Bedingungen, was sie insbesondere in Küstenregionen und Dünenlandschaften problematisch macht. Auch wenn es derzeit nur wenige Orte in Europa gibt, wo C. jubata beständig ist, gehen Modellrechnungen davon aus, dass im Zuge des Klimawandels für große Teile Süd- und Westeuropas ein erhebliches Invasionsrisiko besteht.

Ehrharta calycina, das Steppengras

In Portugal und Spanien ist das aus Afrika stammende Purpur-Veldtgras Ehrharta calycina bereits etabliert. Da sich seine Samen durch den Wind verbreiten und an offenen Standorten leicht keimen, besteht auch für weitere Teile Europas die Gefahr, dass sich diese Art erfolgreich ausbreitet. Einmal angekommen, verwandelt es vielfältige Habitate wie Dünen und Gebüsche in Graslandschaften, von denen eine große Brandgefahr ausgeht. Nach einem Feuer treibt es schnell wieder aus und unterdrückt somit erfolgreich andere Arten. Ehrharta calycina hat zudem allelopathische Eigenschaften: Ihr Vorhandensein führt zu einer Verschiebung des Nährstoffkreislaufs, indem sich Phosphor aus der Biomasse im Boden anreichert.

Microstegium vimineum, das Japanische Stelzengras

Als Verbreitungswege von Microstegium vimineum wurden unter anderem bereits dokumentiert: Die Haftung der Samen oder der Frucht an Kleidung und Schuhen von Reisenden, verunreinigtes Vogelfutter, Ausrüstungen und Fahrzeuge, die in der Land- und Forstwirtschaft, im Baugewerbe oder zur Müllentsorgung verwendet werden. Bislang wurde die Art in der Türkei, Georgien und im Nordkaukasus nachgewiesen, an Straßen und Bahnanlagen, Gräben und Forststraßen, in Auwäldern, Feuchtwiesen, Wirtschaftswäldern, an Wald- und Flussrändern. Ihre zahlreichen Kriechtriebe verdrängen schwächere Arten und beschatten den Boden. In Folge dessen kommt es zu vielfältigen Veränderungen der Bodeneigenschaften, und der Zusammensetzung der ansässigen Pflanzenfresser- und Gliederfüßergemeinschaften.

Cenchrus setaceus, das Afrikanische Lampenputzergras

Einst als Zierpflanze geschätzt, verbreitet sich Cenchrus setaceus nun in Spanien (Balearische und Kanarische Inseln), Frankreich, Italien (Kalabrien, Sardinien, Sizilien), an der portugiesischen Algarve sowie auf Zypern und Malta aus. Der Klimawandel macht weitere Regionen Europas für eine Besiedlung attraktiv, vor allem trockene und steinige Gras- und Küstenlandschaften. Da die Art dem Boden das verbliebene Wasser entzieht und den Nährstoffkreislauf verändert, wirkt sich ihr Vorhandensein negativ auf die lokale Biodiversität aus.

Ausbreitung dokumentieren

Wenn Du Pflanzen mit Flora incognita bestimmst und dabei den Standort freigibst, wird Dein Fund Teil einer wissenschaftlichen Datensammlung, die unseren Wissenschaftler:innen ermöglicht, die Verbreitung von Arten in Zeit und Raum zu erforschen. Unsere Forschungsarbeiten kannst Du auf unserer Webseite nachlesen. Aber auch naturschutzfachliche Management-Maßnahmen lassen sich mit diesen Daten schnell und effektiv planen und durchführen. Danke für Deine Hilfe!

Achtung! Die auf der Unionsliste geführten Arten dürfen nicht vorsätzlich in das Gebiet der EU verbracht werden, gehalten, gezüchtet, gehandelt, verwendet, getauscht, zur Fortpflanzung gebracht und in die Umwelt freigesetzt werden!

Titelbild: Steppengras (Ehrharta calycina plant6), Harry Rose, Australia, CC BY  2.0, via flickr.

Invasive Pflanzen in der EU Teil 4: Kletterpflanzen

Unionsliste invasiver Arten

In der EU gibt es rund 12.000 gebietsfremde Arten. Ein kleiner Teil von ihnen erfordert besondere Aufmerksamkeit, da sie heimische Arten in ihrem Bestand gefährden können.

Die EU-Verordnung über die Prävention und das Management der Einbringung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten soll verhindern, dass sich diese Arten ausbreiten, beziehungsweise ein schnelles Reagieren ermöglichen, wenn sich erste Anzeichen einer Ausbreitung zeigen. Um welche Arten genau es sich handelt, steht in der „Unionsliste“. Von den insgesamt 88 aufgeführten invasiven Arten sind 40 Gefäßpflanzen. In einer Artikel-Serie, die zunächst in der Flora-Incognita-App veröffentlicht wurde, stellen wir diese vor. Auf unserer Website findest Du außerdem die Beiträge zu invasiven Sträuchern und Bäumen, Gräsern, Wasserpflanzen sowie zu mehrjährigen, krautigen Pflanzen zum Nachlesen. In Teil 4 geht es um Kletterpflanzen.

Cardiospermum grandiflorum, der Ballonwein

Als Zierpflanze wurde der Cardiospermum grandiflorum aus Mittel- und Südamerika fast weltweit verbreitet. Seine kleinen weißen Blüten und attraktiven Früchte sollten allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die verholzenden Triebe massive Teppiche bilden können, welche Bäume von 10-20 Meter höhe vollständig überwuchern können. Damit verdunkeln sie den darunter befindlichen Lebensraum und können mit ihrem Gewicht auch zu einem Zusammenbrechen der bewachsenen Strukturen führen. Des Weiteren werden Wild- und Weidetiere an ihrer freien Bewegung oder Migration gehindert.

Lygodium japonicum, der Japanische Kletterfarn

Im Osten Asiens ist Lygodium japonicum heimisch. Die Pflanze bildet an ihren kriechenden Rhizomen Wedel, die bis zu 30 Meter lang werden können und kletternde Eigenschaften haben. Die Art produziert sehr kleine Sporenkapseln, die über Kleidung und Gepäck, aber auch in Blumenerde leicht verbreitet werden können. Der Japanische Kletterfarn ist gut an Kälte angepasst, seine Sporen bleiben trotz Frost lebensfähig. Dennoch bevorzugt er feuchtwarme Standorte zur Ausbreitung. In Nordamerika verändert die Art bereits die Intensität und das Ausmaß von Brandereignissen, da sie Flammen schnell in die Kronen der Bäume klettern lässt.

Pueraria montana, Kudzu

Pueraria montana, oder auch Kudzu genannt, gehört zu den Hülsenfrüchtlern und stammt aus Ostasien. Laut IUCN gehört sie zu den 100 aggressivsten invasiven Neophyten, denn sie kann in nur wenigen Jahren eine existierende Vegetation komplett überdecken und zerstören. Neben den ausdauernden, kräftigen Lianen, die bis zu 20 Meter pro Jahr wachsen können, bildet sie Wurzelknollen als Überdauerungsorgane. Diese können Längen von 2 Meter, Durchmesser von 18 bis 45 Zentimeter und ein Gewicht von 180 kg erreichen. Sie besiedelt Gärten, Straßenböschungen und Seeufer. In der Schweiz und in Italien findet sich Kudzu bereits in warmen Lagen.

Celastrus orbiculatus, der Rundblättrige Baumwürger

Einst als Zierpflanze eingeführt, ist der Rundblättrige Baumwürger (Celastrus orbiculatus) trotz Handelsverbot noch immer hier und da erhältlich. Seine Verbreitung erfolgt durch unsachgemäße Entsorgung von Pflanzenteilen und beerenfressende Vögel. Kann die Liane an Bäumen emporklettern, wird sie bis zu 12 Meter hoch. Andernfalls bildet sie ein sehr dichtes, bodendeckendes Geflecht. Noch jung sorgt sie für eine massive Beschattung der Vegetation und erhöht das Bruchrisiko von jungen Bäumen. Mit zunehmendem Dickenwachstum übt der Baumwürger zunehmenden Druck auf seine Trägerbäume aus und kann sie „erdrosseln“.

Humulopsis scandens, Japanischer Hopfen

Japanischer Hopfen (Humulopsis scandens) war vielerorts eine beliebte Zierpflanze zur Begrünung von Spalieren und Zäunen. Natürlicherweise besiedelt er recht schnell Flussläufe, aber seine neuen Ausbreitungswege sind von menschlicher Aktivität bestimmt. Hat er einmal Fuß gefasst, ist er in der Lage, durch Überwuchern und Beschatten Lebensräume strukturell und funktionell zu verändern und damit die Artenvielfalt zu reduzieren. Insbesondere Röhrichte oder Weidensäume sind vom Japanischen Hopfen bedroht. Die Art ist einjährig, was bedeutet, dass der Boden mit dem Ende der Vegetationszeit offen liegt und damit anfällig für Erosion durch das Wasser wird.

Persicaria perfoliata, der Durchwachsene Knöterich

Der Durchwachsene Knöterich (Persicaria perfoliata) ist eine ein- bis mehrjährige Liane und kann bis zu 8 Meter hoch klettern. Noch ist die Art in Europa nicht etabliert, würde aber in Wäldern und auf gestörten Flächen gute Lebensbedingungen vorfinden. Ihre Samen werden gern von Tieren gefressen, was eine schnelle Ausbreitung ermöglicht. In den USA bildet sie dichte Matten, die die Vegetation überdecken und die darunterliegenden Arten zum Absterben bringen. Dort meldet die Forstwirtschaft bereits wirtschaftliche Schäden; ebenso Obstbauern, Baumschulen und die Tourismusbranche.

Ausbreitung dokumentieren

Wenn Du Pflanzen mit Flora incognita bestimmst und dabei den Standort freigibst, wird Dein Fund Teil einer wissenschaftlichen Datensammlung, die unseren Wissenschaftler:innen ermöglicht, die Verbreitung von Arten in Zeit und Raum zu erforschen. Unsere Forschungsarbeiten kannst Du hier nachlesen. Aber auch naturschutzfachliche Management-Maßnahmen lassen sich mit diesen Daten schnell und effektiv planen und durchführen. Danke für Deine Hilfe!

Achtung! Die auf der Unionsliste geführten Arten dürfen nicht vorsätzlich in das Gebiet der EU verbracht werden, gehalten, gezüchtet, gehandelt, verwendet, getauscht, zur Fortpflanzung gebracht und in die Umwelt freigesetzt werden!

Titelbild: Durchwachsener Knöterich. (Mile-a-minute-weed (28816287065).jpg) von Katja Schulz. CC BY 2.0.

Buchenvitalitätsschwäche

Geschwächte Buchen

Im Zuge des Klimawandels häufen sich Witterungsextreme, die zu einer erhöhten Belastung der Baumgesundheit führen können. Beginnend mit dem Trockenjahr 2018, das bereits im Frühjahr durch langanhaltende hohe Temperaturen und geringe Niederschläge gekennzeichnet war, kam es zu teilweise massiven Schäden in Rotbuchenbeständen (Fagus sylvatica). Zunächst waren vor allem ältere, lichte Bestände auf flachgründigen, trocken-warmen Standorten betroffen, inzwischen zeigen sich aber auch in anderen Altersklassen die komplexen Symptome, die unter dem Krankheitsbild der Buchenvitalitätsschwäche zusammengefasst werden.

Absterbe-Erscheinungen in der Oberkrone, ThüringenForst

Absterbe-Erscheinungen in der Oberkrone, ThüringenForst

Chronologie

Bereits im Frühjahr 2018 traten vielerorts erste Störungen auf: viele Buchen, die an Waldrändern, in exponierten Lagen oder auf durchlässigen Böden wuchsen, konnten nur kleine Blätter ausbilden. Bereits im Spätsommer fielen teilweise die noch grünen Blätter zu Boden. Intensive Sonneneinstrahlung, gefördert durch fehlende Belaubung, exponierte Lage oder aufgelichtete Bestände, führte zu Rindenrissen und abplatzender Rinde. Die durch Trockenheit und Hitze geschwächten Bäume waren in der Folge anfällig für Sekundärschädlinge: Rindenzerstörende Pilze wie Neonectria coccinea nutzen die vorgeschädigten Kronen und Stämme als Eintrittspforten, auch andere, teils endophytisch lebende Pilze gingen in ihre parasitäre Phase über. Darüber hinaus waren die geschwächten Bäume anfällig für den Befall mit rinden- und holzbrütenden Insekten wie Buchenborkenkäfer und -prachtkäfer. Viele so geschädigte Bäume konnten im Frühjahr 2019 nicht mehr austreiben. Seit Sommer 2019 sind vielerorts alle Altersklassen der Rotbuche von Hitze- und Trockenschäden betroffen, und die Krankheit, deren Verlauf viele Jahre dauern kann, tritt nunmehr auch in geschlossenen Beständen auf.
 

Rindenpilze

Gesunde Buchen können Trockenschäden oft ausheilen. Geschwächte Buchen sind jedoch anfällig für den Befall durch Rindenpilze, die die reduzierte Abwehrkraft der Bäume und die Schädigung durch z. B. Sonnenbrand als Eintrittspforten nutzen. Parasitäre Pilze stören zusätzlich die Wasser- und Nährstoffversorgung der Bäume und führen schließlich zu Verfärbungen und Holzfäule. Zu den häufigsten an der Buchenvitalitätsschwäche beteiligten Pilzen gehören das Scharlachrote Pustelpilzchen Neonectria coccinea, Eutypella quaternata, der Münzenförmige Rindenkugelpilz (Biscogniauxia nummularia) und Hallimasch (Armillaria spp.). Die beschriebenen Rinden- und Holzfäulepilze sind meist ohnehin in den Beständen vorhanden (Endophyten) und werden erst bei erhöhter Anfälligkeit der Buchen zu Schwächeparasiten. Sind die Bäume erst einmal intensiv durch die Pilze besiedelt, ist mit einer Erholung nicht mehr zu rechnen.

Fruchtkörper von Neonectria coccinea

Fruchtkörper von Neonectria coccinea, ThüringenForst

 

Schadinsekten

Die Buchenvitalitätsschwäche ist eine Erkrankung, die sich über Jahre ziehen kann. In geschädigten Bäumen kommt es meist früher oder später zu einem Befall durch rinden- und schließlich auch holzbrütende Insekten. Dies kann maßgeblich zum Absterben der Bäume beitragen. Zudem wird die Holzqualität teils erheblich vermindert und die Stand- und Bruchsicherheit durch einen erhöhten Totholzanteil in der Krone gefährdet. In den vergangenen, trockenen Jahren waren vor allem der Buchenprachtkäfer (Agrilus viridis), der kleine Buchenborkenkäfer (Taphrorychus bicolor) und der Laubnutzholzborkenkäfer (Trypodendron domesticum) am Schadgeschehen beteiligt.

Gewundene Fraßgänge des Buchenprachtkäfers, ThüringenForst

Gewundene Fraßgänge des Buchenprachtkäfers, ThüringenForst

Forschung und Ausblick

Aufgrund der klimatischen Entwicklung ist auch in den nächsten Jahren mit großflächigen Vitalitätsverlusten der Buche zu rechnen. Die Entnahme von pilzbefallenen Bäumen aus dem Wald ist nicht zwingend notwendig, kann aber bei Bäumen, die Brut- und Nahrungsraum für die beschriebenen Käfer bieten, sinnvoll sein. In jedem Fall ist zu bedenken, dass eine solche Entnahme zu einer weiteren Auflichtung und damit zu einem Fortschreiten der Schäden führt. Das Forschungsprojekt „Buchenkalamitäten im Klimawandel – Ursachen, Folgen, Maßnahmen (Buche-Akut)“ hat zum Ziel, weitere Erkenntnisse zu gewinnen und Handlungsstrategien für die Sanierung, Wiederbegründung und zukünftige Bewirtschaftung von Rotbuchenwäldern in Mitteldeutschland zu entwickeln. Eine umfangreiche Wissenssammlung zum Thema findet sich auf der Projektwebseite: https://www.thueringenforst.de/forschungsfelder-projekte/buche-akut. Weitere Informationen sind in der Broschüre „Buchenvitalitätsschwäche“, herausgegeben von ThüringenForst, nachzulesen (Download).

Der Walddoktor

Die Story-Serie „Der Walddoktor“ entsteht in Zusammenarbeit des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie und der TU Ilmenau mit dem Forstlichen Forschungs- und Kompetenzzentrum Gotha von ThüringenForst im Rahmen des Projektes „Der Walddoktor“. Dieses wird durch das Bundesamt für Bildung und Forschung, das Förderprogramm „Wir! – Wandel durch Innovation in der Region“ und das Bündnis Holz-21-regio gefördert.“