#Krautschau im Frühherbst: Ritzenrebellen in der Stadt

Krautschau – auch im Herbst!

Klein(st)e Pflanzen in Pflasterritzen, Mauern, am Wegrand oder in dunklen Fugen – sie bilden wertvolle Korridore, in denen Insekten und andere Kleinstlebewesen Nahrung und Lebensraum finden. Sie kühlen den Boden, binden Staub und führen über ihre Wurzeln Oberflächenwasser ins Erdreich ab. Damit leistet das “Unkraut” einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung des Stadtklimas. Möchtest Du einen wissenschaftlichen Beitrag leisten und kartieren, was in Deiner Stadt, in Deinem Dorf in Mauern und Ritzen gedeiht? Bis zu 550 Arten sind das deutschlandweit! Schalte in den Einstellungen der Flora-Incognita App mit dem Code KRA VT5 HAV das Krautschau-Projekt frei, und gib jeder relevanten Beobachtung das Stichwort „Krautschau“ mit. Mehr zum Projekt findest Du auf unserer Webseite. Danke! Und nun schauen wir uns eine kleine Auswahl dessen an, was bei einer kurzen Runde durch Jena in Thüringen zu finden war.

Weiße Taubnessel
Taubnesseln sind nicht mit der Brennnessel verwandt. Sie gehören zu den Lippenblütlern und haben keine Brennhaare auf den Blättern. Die Weiße Taubnessel (Lamium album) kann, wenn sie sich nicht in kleine Ritzen pressen muss, fast einen Meter groß werden. Die Pflanze ist ein Dauerblüher: Von April bis in den Oktober hinein bilden sich die typischen Blüten, die beliebt bei Bienen und Hummeln sind.  Aus der Blüte entstehen später sogenannte Klausenfüchte. Sie besitzen ein weißliches Ölkörperchen (Elaiosom), welches Ameisen unwiderstehlich finden. Sie sorgen somit für eine verlässliche Verbreitung der Pflanze an neue Standorte. Zudem breitet sich die Weiße Taubnessel auch noch durch Ausläufer aus.

 

Gehörnter Sauerklee
Oxalis corniculata wird auch als Horn-Sauerklee bezeichnet. Seine gelben Blüten öffnen sich nur bei direktem Sonnenlicht, von Mai bis Oktober. Typisch sind zudem die rot anlaufenden Blätter und Stängel. Diese Einfärbung dient zum Schutz vor UV-Strahlung. Die Pflanze stammt ursprünglich aus dem Mittelmeerraum, ist aber heute nahezu weltweit verbreitet. Sie bildet im Jahresverlauf dichte Kissen, weshalb sie im Garten- und Landschaftsbau sowohl zur schnellen Begrünung geschätzt, als auch als Unkraut geächtet ist. Wer sich an ihr stört: Bald ist sie nicht mehr zu sehen. Sie ist frostempfindlich und stirbt mit den ersten kalten Nächten oberflächlich ab. Aus ihrer tiefen Pfahlwurzel wird sie dann erst im Frühjahr erneut austreiben.

 

Gewöhnliche Wegwarte
Die Gewöhnliche Wegwarte (Cichorium intybus) gehört zu den Korbblütlern und wächst auf nährstoffreichen, trockenen Böden – häufig an Wegrändern. Bekannt sind ihre Zuchtformen: Chicorée, Zuckerhut, Radicchio sind einige davon. Manche kennen vielleicht auch noch Landkaffee, den Bohnenkaffee-Ersatz aus Wurzelzichorie. Ihre himmelblauen Blüten, die sich nur am Vormittag öffnen, sollen die blauen Augen eines verwandelten Burgfäuleins sein, welches auf die Rückkehr ihres Liebsten von den Kreuzzügen wartet. Manche sehen in ihr auch die „Blaue Blume“ der Romantik, ein zentrales Symbol für Sehnsucht und Liebe. Im Mittelalter sagte man ihr nach, sie würde den Träger unverwundbar machen. Heute wäre es zumindest schön, sie ab und an noch blühend sehen zu dürfen.

 

Rote Schuppenmiere
Die Rote Schuppenmiere (Spergularia rubra) gehört zu den Nelkengewächsen. Sie mag es lehmig und ist ein Anzeiger für verdichteten Boden. Die kleine krautige Pflanze blüht von Mai bis September und bestäubt sich selbst, manchmal wird sie aber auch von Fliegen angeflogen. Sie bildet von Juli bis Oktober Samenkapseln, in denen verschiedenen Rüsselkäferlarven heranwachsen – wie zum Beispiel *Sibinia variata*, der Sandfarbene Schuppenmierenrüssler. Dieser ist in Deutschland gefährdet, und je nach Region sogar schon ausgestorben.

 

 

Blutrote Fingerhirse
Fast weltweit verbreitet ist die Blutrote Fingerhirse (Digitaria sanguinalis). Sie gehört zu den Fingerhirsen, und damit auch zu den Süßgräsern. Je nach Standort kann sie bis zu 80 cm groß werden. Sie gehört, wie auch Mais und Zuckerrohr, zu den C4-Pflanzen, die eine effizientere Form der Fotosynthese betreiben. Bei der Fotosynthese werden aus Kohlenstoffdioxid und Wasser unter Einfluss von Lichtenergie Sauerstoff und Zucker gebildet. Bei C4-Pflanzen gibt es hierfür zwei verschiedene Zelltypen. In Zellen des Blattgewebes wird zunächst CO2 aufgenommen und gespeichert. Dadurch wird das zentrale Enzym der anschließenden Umwandlung in Zucker stets mit ausreichend CO2 versorgt – auch dann, wenn die Spaltöffnungen aufgrund von Trockenheit oder Hitze geschlossen sind.

Kleines Liebesgras
Das Kleine Liebesgras (Eragrostis minor) ist ein typischer Krautschau-Fund, denn dieses Süßgras gehört zu den ruderalen Trittpflanzengesellschaften und ist vor allem in Städten verbreitet. Wer genau hinsieht, kann erkennen, dass das Blatthäutchen bei diesem Gras als Haarsaum ausgebildet ist. Das Kleine Liebesgras wurde aus dem Mittelmeerraum Ende des 18. Jahrhunderts nach Deutschland eingeschleppt und breitet sich seit dem rasch aus. Der Gattungsname setzt sich aus dem griechi­schen eros = Liebe und agrostis = Gras zusam­men.

 

 

Gewöhnlicher Natternkopf
Der Gewöhnliche Natternkopf (Echium vulgare) gehört zu den Borretschgewächsen und wächst meistens zweijährig: Im ersten Jahr bildet sich die am Boden liegende Blattrosette, und im Folgejahr der Blütenstand. Er wird, je nach Standort, 20 cm bis über einen Meter groß, und bildet eine entsprechend lange Pfahlwurzel aus. Er blüht von Mai bis Juli, aber häufig gibt es noch eine Spätblüte bis in den Oktober hinein. In den sogenannten Lippenblumen ist reichlich Nektar für Bestäuber vorhanden, und so kann man nicht nur Bienen und Schwebfliegen, sondern auch über 40 Schmetterlingsarten an seinen Blüten beobachten.

 

 

Dieser Artikel wurde im Herbst 2023 in der Flora-Incognita-App als Story angezeigt. In der App findest Du jederzeit spannende Informationen zu Pflanzen, Ökologie, Artenkenntnis, sowie Tipps und Tricks zum Pflanzenbestimmen. Schau‘ doch mal rein!