Wie überleben Pflanzen den Winter?

Wie überleben Pflanzen den Winter?

Pflanzenzellen bestehen zu einem großen Teil aus Wasser – gefriert dieses, dehnt es sich aus. Die Zellen würden somit beschädigt werden und die Pflanze im schlimmsten Fall sterben. Wie also schützen sich Pflanzen vor dem Kältetod?

Botanische Winterruhe
Der Blattfall der Stiel-Eiche, des spätreifenden Apfels und der Nadelfall der Europäischen Lärche markieren den Beginn des phänologischen Winters. Im mitteleuropäischen Klima gibt es auch im Winter wärmere Tage, aber die hier heimischen Pflanzen verharren dennoch in Winterruhe. Das liegt am Abbau von bestimmten Phytohormonen (z.B. Abscisinsäure), die regulieren, wann Samen und Knospen nach der Kälteperiode (wieder) austreiben.

 

Überwinterung als Samen
Einjährige krautige Pflanzen sterben im Herbst ab und stellen nur durch Samen ihren Fortbestand sicher. Diese bestehen aus einer Samenschale, einem Nährgewebe und dem Embryo. Menschen nutzen Pflanzensamen als wertvollen Bestandteil ihrer Ernährung – Bohnen, Erbsen und Linsen sind proteinreich; Weizen und Hafer liefern Stärke. Einige Samen sind hingegen fettreich, wie Raps, Lein oder Kürbis. Ihre harte Schale und der geringe Wassergehalt schützen sie vor dem Erfrieren. Die Zeitdauer der Keimruhe ist bei einzelnen Pflanzenarten sehr unterschiedlich, ebenso wie die Faktoren, die zum Abbau der Keimruhe führen. Mögliche Einflussfaktoren sind: Feuchtigkeit, Temperatur, Lichtverhältnisse und der Nährstoffgehalt des Bodens.

 

Oberirdisches Absterben
Stauden sind krautige, mehrjährige Gewächse, die viele Winter überdauern können. Ihre Überlebensstrategie ist das Einlagern energiereicher Speicherstoffe (meist Stärke) in Wurzeln, Zwiebeln, Knollen oder dem Rhizom. Neue Knospen und Triebe entstehen aus dem sogenannten Meristem – einem Gewebe, welches aus undifferenzierten Zellen besteht, die sich laufend teilen und so neue Zellen an den Pflanzkörper abgeben. Im Winter liegen diese Gewebeteile oft als „schlafende Augen“ (botanisch: Proventivknospe) dicht unter der Bodenoberfläche.

 

Rückzug ins Holz
Zeigen die Laubbäume ihre typischen Herbstfarben, ist das ein Zeichen dafür, dass kein neues Chlorophyll mehr in den Blättern gebildet wird – der immerwährende Abbauprozess läuft nunmehr sichtbar ab. Es wird über mehrere Tage bis Wochen zusammen mit anderem energiereichen Material in den Stamm verlagert. Die dort befindlichen Vakuolen teilen sich und werden mit Zucker angereichert, aber auch mit Proteinen und anderen gelösten Stoffen wie Kalium, Magnesium und Phosphor. Andere Zellteile – die Amyloplasten, werden zu Stärkespeichern, die schließlich zum Blattaustrieb aufgebraucht sind.

 

Natürliche Frostschutzmittel
Immergrüne Pflanzen sterben oberirdisch nicht ab und behalten ihre Blätter. Eisbedeckte Grashalme brechen nicht, wenn man auf sie tritt – welche Strategie schützt sie vor dem Erfrieren? Wasser gefriert bei 0° – aber nicht zwangsläufig! Meerwasser bleibt flüssig, weil Salz als osmotisch wirksamer Stoff den Gefrierpunkt herabsetzt. In Pflanzenzellen finden sich verschiedene Zucker, Alkoholverbindungen und auch Kalium als wirksame Frostschutzmittel. Je mehr dieser Moleküle im Zellwasser gelöst sind, desto stärker ist der gefrierpunktsenkende Effekt.

 

Kälteschutz durch Wuchsformen

Aber auch die Wuchsform der Pflanze spielt eine Rolle beim Frostschutz: Besonders im Hochgebirge trifft man auf dichte Pflanzenpolster, in welchen die Zweige sehr eng beieinander stehen. Das schützt die innenliegenden Blätter und Knospen wie eine Decke vor der schädigenden Frosteinwirkung. Pflanzen haben viele Wege gefunden, den eisigen Monaten zu trotzen. Aber spannend ist auch, den Blick weiter schweifen zu lassen! Manche pflanzliche Überlebensstrategie ist auf ganz anderen Ebenen nützlich: Eine Studie aus England stellte beispielsweise fest, dass ein dichter Bewuchs aus Efeu (Hedera helix) die Anzahl, Dauer und Schwere von Frostschäden an historischen Mauern signifikant senken kann!

Dieser Artikel wurde im Winter 2022/23 in der Flora-Incognita-App als Story angezeigt. In der App findest Du jederzeit spannende Informationen zu Pflanzen, Ökologie, Artenkenntnis, sowie Tipps und Tricks zum Pflanzenbestimmen. Schau‘ doch mal rein!