7 Dinge, die Du noch nicht über Flora Incognita wusstest!

Am 22. November 2024 findet in Jena die Lange Nacht der Wissenschaften statt. Über diese Veranstaltung kannst Du Dich auf der Webseite der LNDW informieren: Lange Nacht der Wissenschaften (LNDW) Jena

Wir möchten Dich zu einem ganz besonderen Vortrag einladen, der 19:00 im Hörsaal des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie stattfinden wird:

7 Dinge, die Du noch nicht über Flora Incognita wusstest!

Warum musste Pflanzenbestimmung neu gedacht werden? Wie entwickelt und betreibt man eigentlich eine App? Sind die Bestimmungen überhaupt verlässlich und was sagen uns die Daten über den Klimawandel oder den pH-Wert des Bodens? Diese und andere Fragen möchte das Team um Projektleiterin Dr. Jana Wäldchen in einem Vortrag beantworten. Die Wissenschaftler*innen geben hierbei Einblicke „hinter die Kulissen“ der beliebten Pflanzenbestimmungsapp und stehen im Anschluss von 20-21 Uhr für persönliche Gespräche bereit.

Bis dahin!

Kennst Du diesen Klee?

Genau hingeschaut!
Im Sommer findest du ihn in auf Wiesen, am Wegrand oder Acker, in rot, gelb oder weiß – den „Klee“. Aber: War es das schon? Ist die Vielfalt der Klee-Arten nicht viel größer? Ja! In dieser Story möchten wir Dir sechs verschiedene Vertreter der Pflanzengattung Trifolium vorstellen, die in weiten Teilen Europas verbreitet sind und Dich neugierig machen, auf Deinem nächsten Spaziergang genauer hinzusehen, wenn Du einem „Klee“ begegnest. Diese Story ist das Ergebnis eines Schulpraktikums, und wir möchten uns bei Maike recht herzlich für ihre Recherche und Schreibarbeit bedanken.

Roter Wiesenklee (Trifolium pratense)
Den Roten Wiesenklee oder Rotklee Trifolium pratense sieht man überall: in Gärten, Wiesen, Wäldern sowie an Weges- und Feldrändern. Durch seine ansprechenden roten bis lilafarbenen Blüten, die voll von Nektar sind, wird er von vielen Schmetterlingen wie dem Distelfalter als Nahrungsquelle, aber auch als Raupenpflanze aufgesucht. In der Blütezeit von April bis Oktober bildet er einen vielblütigen kugelförmigen Blütenstand aus, der meist von den obersten Stängelblättern umhüllt ist. Diese Kleeart enthält sehr viel Eiweiß, weshalb sie eine beliebte Futterpflanze ist. Aber auch für Menschen ist der Rote Wiesenklee essbar, und hat sich auch als Heilpflanze einen Namen gemacht. Seit dem 11. Jahrhundert wird er innerlich und äußerlich bei einer Vielzahl von Beschwerden eingesetzt.

Weißklee (Trifolium repens)
Der Weißklee Trifolium repens gehört, wie alle anderen hier vorgestellten Arten auch, zur Familie der Hülsenfrüchtler und zur Unterfamilie der Schmetterlingsblütler. Seine Blüten und Blätter sind ähnlich denen des Rotklees, nur haben die Blüten eine (namensgebende) weiße Farbe. Jede der 40-80 Einzelblüten im Blütenstand bildet 3 bis 4 Samen aus, welche eiförmig bis rundlich und orangegelb sind. Die vierblättrigen Kleeblätter, die als Glücksbringer gelten, findet man bei Wildpflanzen eher selten. Allerdings gibt es mit dem „Vierblättrigen Schokoklee“ (Trifolium repens ‘Quadrifolium Purpureum’) für Garten und Balkonkasten eine gezüchtete Kultursorte, die anspruchslos zu halten und überwiegend vierblättrig ist.

Faden-Klee (Trifolium dubium)
Auch bekannt als „Kleiner Klee“ ist er in ganz Europa verbreitet. Er kommt auf Wiesen, Weiden oder im Gartenrasen vor. Sein deutscher Name bezieht sich auf die lange (fadenförmige) Achse, auf der der Blütenstand aufsitzt. Dieser besitzt die typische Form der Schmetterlingsblütler, ist gelb, verfärbt sich aber während der Fruchtreife bräunlich. Der Faden-Klee Trifolium dubium gilt als Futterpflanze und wird gerne von Insekten wie Hummeln zur Bestäubung besucht. Wer nur flüchtig hinschaut, könnte ihn mit dem Hopfen-Klee Medicago lupulina verwechseln – hier hilft eine Bestimmung mit Flora Incognita oder das Untersuchen des Blütenkelchs. Der des Faden-Klees ist kahl, der den Hopfen-Klees behaart.

Feld-Klee (Trifolium campestre)
Dieser Schmetterlingsblütler besitzt kleine, gelbliche, muschelartig gebogene Blüten. Sie werden als „Schmetterlingsblumen mit Klappmechanismus“ bezeichnet, da sie Bereiche haben, die ultraviolettes Licht absorbieren und solche, die es reflektieren. Dadurch wirken sie auf Bestäuber wie Honigbienen, Fliegen oder Schmetterlinge zweifarbig. Der Feld-Klee Trifolium campestre gedeiht auf sandigen, lehmigen oder steinigen Böden, sowie auf mageren Wiesen, wo er als Futterpflanze gilt. Stickstoffreichen Untergrund meidet er, so ist er eine Zeigerpflanze für stickstoffarmen Boden.

Berg-Klee (Trifolium montanum)
Der Berg-Klee Trifolium montanum kommt in ganz Europa vor, aber kann auch in große Höhen aufsteigen – was ihm seinen Namen gab. Man findet ihn beispielsweise auf der Jöchelspitze in Tirol auf 2226 m Höhe, und im Wallis in der Schweiz wurde er auf 2560 m beobachtet. Durch seine weiße bis gelblich-weiße Blütenfarbe und die typische runde Form der Blütenstände ist er leicht mit dem häufiger vorkommenden Weiß-Klee zu verwechseln. Doch der Berg-Klee wächst aufrechter und hat einen behaarten Stängel, sowie längere, lanzettliche Blätter. Auch die Standortansprüche sind unterschiedlich. Weiß-Klee ist ein Generalist, aber Berg-Klee wächst auf Halbtrocken- und Trockenrasen, an warmen Standorten mit tonig-humosen Böden.

Inkarnat-Klee (Trifolium incarnatum)
Der Inkarnat-Klee Trifolium incarnatum wird auch Italienischer Klee genannt, da sein ursprüngliches Verbreitungsgebiet den Mittelmeerraum umfasst, und damit auch Italien. Heute findet man ihn aber auch in Deutschland, überwiegend in Gegenden ohne Frühjahrsfröste, da er diese nicht gut verträgt; und als beliebte Futterpflanze wird er in weiten Teilen Europas kultiviert. Die Blätter des Inkarnat-Klees sind für eine Kleeart sehr groß, aber sein wohl auffälligstes Merkmal ist seine Blütenfarbe. Die tief purpurroten Blütenköpfe, die bei dieser Art ährig langgestreckt sind, zeigen sich von Mai bis August.

Dieser Artikel wurde 2024 in der Flora-Incognita-App als Story angezeigt. In der Pflanzenbestimmungs-App findest Du jederzeit spannende Informationen zu Pflanzen, Ökologie, Artenkenntnis, sowie Tipps und Tricks zum Pflanzenbestimmen. Schau‘ doch mal rein!

Pflanzengesellschaft des Jahres 2024: Sumpfdotterblumen-Wiesen (Calthion palustris)

Die Pflanzengesellschaft des Jahres

Feuchte Wiesen auf nährstoffreichen Böden – noch vor wenigen Jahrzehnten waren artenreiche und bunt blühende Sumpfdotterblumen-Wiesen landschaftsprägend zu finden. Heute fallen diese großflächigen Feuchtgrünländer vor allem der Entwässerung zum Opfer, oder sie werden zu Intensivgrünland und Äckern umgewandelt. Calthion-Gesellschaften beinhalten zahlreiche gefährdete Tier- und Pflanzenarten, aber sind auch Lebensraum für unzählige Insekten, Spinnen und Vögel. Um ihren Schutz und Maßnahmen zur Wiederherstellung zu unterstützen, sind diese Wiesengesellschaften von der „Floristisch-soziologischen Arbeitsgemeinschaft“ im Jahr 2024 zur Pflanzengesellschaft des Jahres gewählt worden. Du erkennst sie an den folgenden Kennarten:

Sumpfdotterblume (Caltha palustris)

Die Sumpfdotterblume Caltha palustris gehört zu den Hahnenfußgewächsen und ist in Europa, Asien und Nordamerika weit verbreitet. Je nach Standort kann sie 15-60 cm groß werden und zeigt ab dem März ihre leuchtend gelben, nektar- und pollenreichen Blüten. Die Blühdauer kann je nach Standort bis in den Juni hinein dauern, und gelegentlich kommt es im ausgehenden Sommer zu einer Zweitblüte. Typische Standorte sind Quellen, Bäche und wassergefüllte Gräben, aber wenn Du die *Calthion*-Gesellschaften suchst, halte eher nach feuchten Wiesen Ausschau. Dort findest Du dann möglicherweise auch die anderen Vertreter der Gesellschaft.

Sumpf-Pippau (Crepis paludosa)

Dieser gelbblühende Korbblütler wird meist etwa 30-80 cm groß, kann aber in Ausnahmefällen auch über einen Meter erreichen. Das Finden eines Sumpf-Pippau Crepis paludosa allein zeigt noch keine Calthion-Gesellschaft an, denn die Art ist in Deutschland weit verbreitet und nur in Trockengebieten selten. Bienen, Fliegen und Falter bestäuben seine Blüten, die auf einem dünnen Stängel über großen, buchtig gezähnten Laubblättern sitzen. Findest Du neben den beiden eben vorgestellten Arten auch noch die folgenden, hast Du mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit den richtigen Standort gefunden.

Sumpf-Vergissmeinnicht (Myosotis scorpioides)

Von Mai bis September kann man die 15-80 cm großen, krautigen Sumpf-Vergissmeinnichte Myosotis scorpioides mit ihren behaarten Laubblättern himmelblau blühen sehen. Sie stehen entweder aufrecht oder lehnen sich Richtung Boden, wo sie oberirdische Ausläufer bilden können. Der gelbe Ring (ein sogenannter Saftmalring) im Blüteninneren soll Bestäuber anlocken. Am Grund der Blüte wird Nektar für Insekten angeboten, die einen langen Rüssel haben, wie viele Falter, Bienen und manche Fliegen. Diese Fluginsekten sind auch häufig zu finden am:

Schlangen-Knöterich (Bistorta officinalis)

Der Schlangen-Knöterich Bistorta officinalis kann zwischen 20 und 100 cm groß werden. Seine rosafarbenen Blütenstände (Scheinähren) sind zwischen Mai und Juni weithin sichtbar und locken eine Vielzahl von Bestäubern an. Für die Raupen des Blauschillernden Feuerfalters und des Randring-Perlmuttfalters ist diese Art die bevorzugte Futterpflanze. Ihren Namen verdankt sie ihrem kräftigen Rhizom, welches s-förmig gewunden ist. Auch der Gattungsname *Bistorta* lässt sich mit „zweifach verdreht“ übersetzen. Fällt ihr Standort trocken, zieht sie sich in dieses Rhizom zurück und überdauert so die Zeit, bis es wieder feucht genug für einen erfolgreichen Austrieb ist.

Kohl-Kratzdistel (Cirsium oleraceum)

Eine typische Ausprägung der Calthion-Gesellschaften sind Kohldistel-Wiesen. Hier kommt die namensgebende Kohl-Kratzdistel Cirsium oleraceum bestandsbildend vor. Sie kann Wuchshöhen von bis zu 170 cm erreichen, und fällt durch ihre sehr großen, aber weichen und nicht stechenden Laubblätter auf. Zwischen Juni und Oktober bildet sie pro Pflanze zwei bis sechs Blütenstände aus, die in disteltypischen Blütenkörbchen stehen und von gelb-grünen, dornigen Hochblättern umgeben sind. Diese werden von Hummeln bestäubt und ihre Samen schließlich vor allem von Vögeln wie Finken, Meisen und Kreuzschnäbel verbreitet.

Binsen und Gräser

Natürlich sind Sumpfdotterwiesen auch Lebensraum von Süß- und Sauergräsern. Auch wenn diese nicht von auffälligen, bunten Blüten gekennzeichnet sind, so sind sie für die Pflanzengesellschaft als Lebensraum von großer Bedeutung. Um also sicher zu sein, eine *Calthion*-Gesellschaft gefunden zu haben, sollten die folgenden Charakterarten vorhanden sein: Trauben-Trespe Bromus racemosus, Flatter-Binse Juncus effusus, Wald-Simse Scirpus sylvaticus und die Spitzblütige Simse Juncus acutiflorus.

Weitere Arten

Neben den vorgestellten Kennarten und den typischen Gräsern kommen in Calthion-Gesellschaften auch noch begleitend andere Pflanzenarten vor, die an dieser Stelle nicht einzeln vorgestellt werden sollen. Aber ein Klick auf den Link führt Dich zum jeweiligen Steckbrief. Das Breitblättrige Knabenkraut Dactylorhiza majalis findest Du an den (wenigen) Standorten, wo es vorkommt, recht häufig. Unter den Orchideen ist es eine, die einen Nährstoffeintrag noch am ehesten toleriert. Des Weiteren gehören der gelbe Sumpf-Hornklee Lotus pedunculatus, Bach-Kratzdisteln Cirsium rivulare und das Wasser-Greiskraut Senecio aquaticus zu den Charakterarten der Sumpfdotterblumen-Wiesen.

Ein neues Abzeichen für Dich!

Wenn Du diese Nachricht lesen willst, musst Du 15 der Kennarten dieser Pflanzengesellschaft finden. Die meisten haben wir soeben vorgestellt, und wir hoffen, dass Du nun wachen Auges durch die nächste Feuchtwiese gehen wirst. Natürlich sind die Standorte dieser Pflanzengesellschaft selten, und so kannst Du Dir das Abzeichen auch verdienen, wenn Du die Arten einzeln findest und mit Flora Incognita bestimmst.

Titelbild: Sumpfdotterblumen-Wiese, S. Schneider, tuexenia

 

 

Dieser Artikel wurde 2024 in der Flora-Incognita-App als Story angezeigt. In der Pflanzenbestimmungs-App findest Du jederzeit spannende Informationen zu Pflanzen, Ökologie, Artenkenntnis, sowie Tipps und Tricks zum Pflanzenbestimmen. Schau‘ doch mal rein!

Vielfalt des Lebens – Lebensraumvielfalt

Biodiversität – Die Serie

Neben der Artenvielfalt und der genetischen Vielfalt ist die Lebensraumvielfalt eine der drei bedeutendsten Säulen der Biodiversität. In der letzten Flora Story haben wir uns intensiver mit der genetischen Vielfalt innerhalb einer Art beschäftigt. In der heutigen Story gehen wir genauer auf den Aspekt der Vielfalt von Lebensräumen in einer Region ein.

Was bedeutet Lebensraumvielfalt?

Die Lebensraumvielfalt ist ein Maß dafür, wie viele verschiedene Lebensräume auf einer bestimmten Fläche vorhanden sind. Ein Gebiet, in dem beispielsweise ein natürlich fließender Bach einen Waldrand von einer Wiese trennt, kann eine hohe Strukturvielfalt aufweisen. Eine große Ackerfläche ohne Hecken oder Blühstreifen weist dagegen keine hohe Vielfalt an Lebensräumen auf. Eine hohe Lebensraumvielfalt erhöht automatisch auch die Artenvielfalt des Gebietes, da in jedem dieser Biotope eine eigene Lebensgemeinschaft vorkommt und somit eine einzelne Fläche von mehr Arten besiedelt werden kann.

Verlust von Lebensräumen

Der Mensch trägt die Hauptverantwortung bei der Zerstörung von Lebensraum, durch die Nutzung natürlicher Ressourcen, Luft-, Licht- und Wasserverschmutzung, Lärmbelastung, intensive Landwirtschaft, industrielle Produktion und die fortschreitende Zersiedelung der Landschaften. Weitere einflussreiche menschliche Aktivitäten sind Bergbau, Abholzung und Schleppnetzfischerei. Einen weltweiten Einfluss hat die Eutrophierung, der übermäßige Eintrag von Stickstoff und Phosphor in Ökosysteme und die Atmosphäre. Dieser Nährstoffeintrag führt langfristig dazu, dass nährstoffarme Habitate ihren einzigartigen und artenreichen Charakter verlieren und anderen Standorten immer ähnlicher werden.

Aber auch abiotische Umweltfaktoren können (indirekt) zur Zerstörung von Lebensräumen beitragen. Dazu gehören geologische Prozesse wie Vulkanismus, der Klimawandel, und das Ausbreiten invasiver Arten.

Invasive Arten übernehmen Lebensräume

Die Zerstörung von Lebensräumen in einem Gebiet kann dazu führen, dass sich die lokale Artenvielfalt von einer Kombination aus Generalisten und Spezialisten zu einer Population verschiebt, die hauptsächlich aus Generalisten besteht. Invasive Arten sind oft Generalisten, da sie in einer viel größeren Vielfalt von Lebensräumen überleben können als Spezialisten. Wenn nun diese ausbreitungsstarken invasiven Arten immer größere Lebensräume eines Gebietes besiedeln, bleibt für die wenigen ursprünglich dort heimischen Spezialisten immer weniger Platz. So verschiebt sich die sogenannte Aussterbeschwelle der Spezialisten immer weiter in eine fatale Richtung – und die Wahrscheinlichkeit ihres Aussterbens steigt.

Verlust der biologischen Vielfalt

Die Zerstörung von Lebensräumen ist der größte Treiber für den Verlust der Artenvielfalt und für den Verlust der genetischen Vielfalt innerhalb von Arten. Und hier geht es nicht nur um den Verlust großen und beliebten Tieren wie dem Großen Panda. Arten wie Fadenwürmer, Milben, Regenwürmer, Pilze und Bakterien übernehmen viele der für uns Menschen lebensnotwendigen Prozesse wie die Reinigung von Luft und Wasser, und auch sie verschwinden, wenn ihre Lebensräume zerstört sind. Auf höherer Ebene sorgen Pflanzen nicht nur für Strukturvielfalt und Schutz vor Erosion, sondern auch für Energie und Nährstoffe, die dann von anderen Lebewesen in der Nahrungskette weiterverarbeitet werden.

Beispiel: Totholz

Ein „gepflegter und aufgeräumter“ (Wirtschafts-)Wald ist oft einer, dem Holz entnommen wird, bevor es absterben kann. Damit fehlt dem Lebensraum Wald allerdings etwas, was ursprünglich ein fester Bestandteil war und sich über Jahrtausende entwickeln und optimieren konnte – ein Hotspot der Biodiversität: Unter der Rinde toter Bäume warten Stärke, Zucker, Vitamine, Eiweiße, Aminosäuren und Zellulose darauf, von Bock- und Borkenkäfer, Holzwespen und tausenden oftmals hoch spezialisierten v.a. Insekten und Pilzarten zersetzt zu werden. Deren Bohrmehl, Kot und Häutungsreste locken neue Holzbesiedler an – übrigens andere bei liegendem als bei stehendem Totholz. Fledermäuse, Käuze, Siebenschläfer nutzen Totholz als Überwinterungslager oder Schlafplatz, während weitere Organismen – Pflanzen, Pilze, Asseln, Milben und Würmer die Zersetzung schließlich abschließen. Übrig bleibt eine große Menge Humus, und damit die perfekte Grundlage für neues Wachstum.

Biodiversität

Das Beispiel Totholz zeigt eindrücklich: Unzählige Lebensräume und Prozesse sind durch den Menschen bereits so schnell verändert und zerstört worden, dass ganze Organismengruppen ausgestorben oder in ihrem Fortbestand akut bedroht sind. Das Wissen um die Zusammenhänge und das tägliche Bemühen um den Erhalt und die Wiederherstellung von Lebensräumen kann jedoch den Unterschied ausmachen, ob in der eigenen Stadt, im eigenen Dorf oder im eigenen Garten eine Vielfalt von Lebensräumen, Arten und die Vielfalt innerhalb dieser Arten erhalten bleibt.

Dieser Artikel wurde im Frühjahr 2024 in der Flora-Incognita-App als Story angezeigt. In der Pflanzenbestimmungs-App findest Du jederzeit spannende Informationen zu Pflanzen, Ökologie, Artenkenntnis, sowie Tipps und Tricks zum Pflanzenbestimmen. Schau‘ doch mal rein!

Genetische Vielfalt – Vielfalt des Lebens

Biodiversität – Die Serie

Neben der Artenvielfalt und der Vielfalt von Lebensräumen ist die genetische Vielfalt eine der drei bedeutendsten Säulen der Biodiversität. In der letzten Flora Story haben wir uns intensiver mit der Artenvielfalt beschäftigt. In der heutigen Story gehen wir genauer auf den Aspekt der genetischen Vielfalt innerhalb einer Art ein.

Genetische Vielfalt

Eine Art besteht aus Individuen, die sich zwar sehr ähnlich sind, aber kleine Unterschiede in ihrer Erbinformation aufweisen. Gibt es viele dieser kleinen Unterschiede, dann hat diese Art das Potenzial, sich leicht an neue Umweltbedingungen anzupassen. Ein Beispiel: Tragen manche Individuen einer Population die Eigenschaft mit sich, sich trotz hoher Bodenfeuchte weiter fortpflanzen zu können, und andere Individuen tragen die Eigenschaft mit sich, das bei Trockenheit zu können, dann ist der Fortbestand dieser Art recht wahrscheinlich, auch wenn sich die Standortbedingungen ändern.

Nicht alle Gene sind immer aktiv

In Pflanzen sind zu unterschiedlichen Zeiten und unter wechselnden Bedingungen im Durchschnitt etwa 30.000 Gene aktiv. Ob und wie gut eine Pflanze gedeiht, inwieweit sie sich an ihre Umgebung anpassen und klimatischen Veränderungen begegnen kann, kommt also darauf an, wie groß der Pool an möglichen aktivierbaren Genen ist. Betrachtet man nun ein einzelnes Gen, so hängt dessen Aktivierung unter anderem davon ab, wo und wie die Pflanze lebt: Einzeln? In einer dichten Population? Vollsonnig oder im Schatten? Auch Aspekte wie Feuchtigkeit oder die chemische Bodenzusammensetzung spielen eine Rolle.

Nicht alle Individuen müssen sich anpassen

Es gibt auch Pflanzen, die können sogar Gene aktivieren, um „Hilferufe“ auszusenden. Sie bilden dann beispielsweise Duftstoffe, die Nützlinge anlocken, um Schädlinge zu fressen. Experimente von Wissenschaftler:innen des Max-Planck-Instituts für Chemische Ökologie haben [gezeigt](https://elifesciences.org/articles/04490), dass es mitunter ausreicht, wenn nur einzelne Pflanzen innerhalb einer größeren Population diese genetische Ausprägung entwickeln, um alle benachbarten Pflanzen zu schützen.

Vielfalt als Basis für Evolution

Die genetische Vielfalt innerhalb einer Art ist auch die Grundlage für die Bildung ganz neuer Arten. Es gibt hierfür verschiedene Konzepte, die sich vor allem darin unterscheiden, ob es zu einer räumlichen Trennung (durch Gebirgs- und Inselbildung, Stürme) von Populationen kommt oder nicht.

  • Ist das der Fall, kann es keinen genetischen Austausch mehr unter den Gruppen geben und durch Mutation und Selektion entstehen schließlich neue Arten.
  • Artbildung ohne räumliche Trennung: durch spontane Mutation der Fortpflanzungsorgane können sich Individuen nicht mehr untereinander vermehren. Die veränderte Population spaltet sich von der ursprünglichen Art ab.
  • Artbildung trotz Genfluss: Wie zu Beginn der Story gezeigt, kann eine hohe genetische Variabilität innerhalb einer Art dafür sorgen, dass diese an völlig unterschiedlichen Standorten gedeihen kann. Über lange Zeiträume hinweg sorgen schließlich kleinste Veränderungen dafür, dass aus diesen angepassten Populationen neue Arten entstanden sind.

 

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Artenvielfalt – Vielfalt des Lebens

Biodiversität – Die Serie

Neben der Artenvielfalt und der Vielfalt von Lebensräumen ist die genetische Vielfalt eine der drei bedeutendsten Säulen der Biodiversität. In dieser dreiteiligen Serie gehen wir auf jede dieser Arten in einem eigenen Artikel genauer ein. Viel Spaß!

Artenvielfalt

Der Begriff Artenvielfalt beschreibt die Anzahl biologischer Arten in einem bestimmten Gebiet. Das gilt für kleine Räume genauso wie für große: ein einziger Baum im Amazonas, ein ganzes Gebirge, ein politischer Staat, oder auch nur eine Rasterzelle in einer Stadt. Typischerweise wird die Artenvielfalt eines solchen Gebiets aufgeteilt in bestimmte Gruppen wie Pflanzen (oder nur Bäume), Säugetiere, Fische, Insekten – je nach Fragestellung oder Thema.

Wie viele Arten gibt es?

Im Jahr 2006 waren ca. 2 Millionen Arten wissenschaftlich beschrieben. Dem gegenüber stehen Schätzungen der tatsächlich existierenden Arten von 5 bis 20 Millionen weltweit. Diese beiden Angaben genau zu machen ist sehr schwierig, da verschiedene Organismengruppen unterschiedliche Kriterien zur Artabgrenzung haben, moderne Klassifizierungsmethoden auch genetische Informationen mit einbeziehen, es eine Vielzahl von Synonymen gibt und die meisten Arten einerseits sehr klein sind und zudem in Gebieten leben, die nicht leicht zu erreichen sind. Trotzdem werden jährlich etwa 12-13.000 Arten neu wissenschaftlich beschrieben.

Warum ist Artenvielfalt wichtig?

Die Natur ist für unser Überleben entscheidend, da sie uns mit wichtigen Ökosystemleistungen wie Nahrung, Medikamenten, Wasserregulation oder auch Erholungsmöglichkeiten versorgt. Außerdem trägt sie zur Regulierung des Klimas bei, und jede Art spielt eine einzigartige und wichtige Rolle. Das Fehlen einer Art kann zu einer Störung komplexer ökologischer Kreisläufe führen. So kann sich das Aussterben von Insektenarten beispielsweise negativ auf Vögel auswirken, die sich von diesen Insekten ernähren, sowie auf die Bestäubung von Pflanzen (auch Nutzpflanzen).

Was bedroht die Artenvielfalt?

An erster Stelle steht die Zerstörung von Lebensräumen durch Bebauung, Rodung oder Veränderung, z.B. durch Intensivierung der Bodenbearbeitung. Viele artenreiche Lebensräume sind nährstoffarm, da sich auf nährstoffreichen Standorten schnell wenige dominante Arten ausbreiten. Der Eintrag von Stickstoff und Phosphor durch Schadstoffe stellt eine Bedrohung für diese Lebensräume dar. Schließlich können auch invasive Arten einen nachhaltigen Einfluss auf bestehende Ökosysteme haben, indem sie die komplexen Wechselwirkungen zwischen den dort vorkommenden Arten stören und dabei etablierte Arten erfolgreich verdrängen. Über all diesen Faktoren steht der Klimawandel, der viele etablierte Prozesse so schnell verändert, dass die Anpassungsfähigkeit vieler Arten damit nicht Schritt halten kann.

Wie kann man Artenvielfalt schützen?

Die Wiederherstellung oder Erhaltung vielfältiger Lebensräume ist die wichtigste Maßnahme für den Erhalt der Artenvielfalt – oder zumindest um das Schwinden zu verlangsamen. Beispiele sind die Wiederherstellung von Auenlandschaften an Flüssen, das Erlauben von stehendem und liegendem Totholz in Wäldern, Abmagerung von Trockenrasen, extensive ganzjährige Weidhaltung, Blühstreifen mit heimischen Wildkräutern und Sträuchern an landwirtschaftlichen Flächen und der Stopp der Entwässerung von Mooren. Aber auch das eigene Handeln kann einen Einfluss haben: Wilde Ecken im Garten, versetztes Mähen von Wiesen, Verwendung torffreier Erden, die Teilnahme an Arbeitseinsätzen zum Entfernen von invasiven Pflanzen oder politische und Bildungsarbeit sind wertvolle Bausteine für die Erhaltung der Artenvielfalt.

 

 

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Biodiversität – Vielfalt des Lebens

Biodiversität ≠ Artenvielfalt

Biodiversität ist ein Begriff, den man an vielen Stellen liest, aber was genau ist damit gemeint? Einfach ausgedrückt ist Biodiversität die Vielfalt des Lebens auf der Erde. Viele Menschen, vor allem in Deutschland, verwenden den Begriff Artenvielfalt als Synonym für Biodiversität, aber das greift zu kurz. Denn eine hohe Biodiversität bezieht sich nicht nur darauf, dass es viele Arten von Lebewesen (z.B. Tiere, Pflanzen, Pilze) gibt, sondern auch darauf, dass es unter ihnen eine große genetische Vielfalt gibt. Eine dritte Komponente kommt hinzu: die Vielfalt der Lebensräume. Um euch diese drei Formen der Biodiversität genauer zu erklären, folgen in den nächsten Wochen weitere Flora Storys, die sich mit den einzelnen Formen näher beschäftigen. Nicht verpassen!

Verlust von Biodiversität

Im Mai 2019 wurde der „Global Assessment Report on Biodiversity and Ecosystem Services“  veröffentlicht. Der Bericht zeigt den alarmierenden Zustand der globalen Biodiversität auf. Daten aus den Jahren 1970 bis 2018 für insgesamt 31.821 Populationen von 5.230 Arten aus aller Welt zeigen, dass die Populationsgrößen der beobachteten Säugetiere, Vögel, Amphibien, Reptilien und Fische im Durchschnitt um 69 Prozent geschrumpft sind. Der Hauptgrund dafür liegt im Verlust von vielfältigen Lebensräumen. Durch die immer kleiner werdenden Populationen kommt es zwangsläufig auch zu einem Verlust der genetischen Vielfalt. Deshalb ist es so wichtig, Lebensräume zu schützen oder wiederherzustellen. Genau das ist auch das Motto des diesjährigen Tages der Biodiversität. 

Tag der Biodiversität (22. Mai)

Jedes Jahr wird am 22. Mai der Internationale Tag der Biodiversität begangen. Im Jahr 2024 steht er unter dem Motto „Be part of the Plan“. Dieses Motto ist ein Aufruf zum Handeln, um den Verlust der biologischen Vielfalt zu stoppen und umzukehren, denn jeder Mensch interagiert mit der Umwelt und kann Teil des Plans zur Erhaltung der biologischen Vielfalt werden.

Abzeichen: Tag der Artenvielfalt

Flora Incognita wurde entwickelt, um es Dir leicht zu machen, Pflanzenarten kennenzulernen. Nur wer Arten kennt, kann Arten schützen! Deswegen kannst Du Dir am 22. Mai das Abzeichen zum Tag der Artenvielfalt verdienen. Dafür musst Du einfach eine Vielzahl von verschiedenen Pflanzenarten an diesem Tag mit Flora Incognita bestimmen. Es gibt drei Level: Für 10, 20 und 30 verschiedene Arten. Viel Spaß bei dieser Aufgabe!

 

 

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Blüten unter der Lupe: Wärmeregulierung im Winter

Im Winter oder in kalten Habitaten wie Hochgebirgen ist eine optimale Blütentemperatur wichtig für eineerfolgreiche Fortpflanzung. Einige Pflanzen können in ihren Blüten aktiv Wärme produzieren, wie Helleborus foetidus mithilfe von Hefebakterien im Nektar (Herrera and Pozo, 2010). Aber das ist die Ausnahme. Für die meisten Pflanzen der kalten Regionen (oder Frühblüher) gilt, je mehr Wärme sie aus der Umwelt aufnehmen oder zumindest nicht verlieren können, umso besser. In dieser Story lernst Du, welchen Einfluss Eigenschaften wie Form, Farbe, Behaarung oder die Ausrichtung zur Sonne auf die Temperatur in der Blüte haben.

Glocken und Scheiben

Vielleicht hast Du Dich schon einmal gefragt, warum viele Frühblüher glockenförmige Blüten haben? Die Antwort ist: Glocken sammeln mehr Wärme ein als scheibenförmige Blüten. Hängende Glocken können Wärme aus der Bodenstrahlung aufnehmen und so im Inneren der Blüte 3-11 °C über der Umgebungstemperatur liegen (Kevan, 1989). Aufrechte Glocken, wie beispielsweise Enziane, bündeln Sonnenstrahlen, wenn sie in einem bestimmten Winkelbereich einfallen. In scheibenförmigen Blüten sind die Fortpflanzungsorgane der Umgebung direkt ausgesetzt und sitzen mittig, wo das meiste einfallende Licht der Blüte reflektiert wird. Aber auch die Blütenblätter spielen eine Rolle. In einem Experiment wurde in Blüten von Saxifraga oppositifolia der Temperaturüberschuss im Vergleich zur Umgebung um 70% reduziert, nachdem die Kelchblätter entfernt wurden (Kevan, 1970).

Mikro-Gewächshäuser

Eine weitere erfolgreiche Strategie ist das Ausbilden von „Mikro-Gewächshäusern“. Das sind beispielsweiseblasenförmige Strukturen aus durchscheinenden Hüllblättern, wie beim Kleinen Klappertopf (Rhinanthus minor), oder aus Kelchblättern wie bei Physalis. Diese filtern Licht im UV-Bereich, lassen aber längere Wellenlängen durch, wodurch die Luft im Inneren erwärmt wird. Ähnlich wie Blüten können aber auch hohle Stängel einen heizenden Effekt aufweisen, wenn die im Stängel eingeschlossene Wärme zu einem Anstieg der Innentemperatur führt (Kevan et al. 2018, 2019). Das kann die Entwicklung der unmittelbar darüber liegenden Blütenknospe fördern.

Ausrichtung zur Sonne (Heliotropismus)

Manche Pflanzen richten ihre Blüten im Tagesverlauf permanent so aus, dass sie der Sonne zugewandt sind. Insbesondere in kalten Regionen führt das zu einer effektiven Erwärmung der Blüte. Das kann Vorteile für die Pflanze mit sich bringen, beispielsweise durch erhöhte Temperaturen in den Fortpflanzungsorganen, schwerere Samen und mehr Besuche von Bestäubern. Viele Experimente versuchten bereits die Mehrwerte von Heliotropismus nachzuweisen, aber nicht in jedem Fall erfolgreich. (Van der Kooi, 2019).

Farbe

Dunklere Farben können mehr Strahlungsenergie absorbieren. Diese kann in der Blüte in Wärme umgewandelt werden, wodurch sich die Temperatur der Blüte erhöhen kann. In einer Reihe von Experimenten mit Plantago konnte eine enge Beziehung zwischen der Farbe der blütentragenden Ähre und ihrer Temperatur festgestellt werden. Individuen, die sich bei niedrigen Temperaturen entwickeln, bilden dunklere Rispen aus, die in voller Sonne 0,2-2,6 °C wärmer waren als die Vergleichsgruppe (Anderson et al., 2013). Eine andere Studie fand heraus, dass violett gefärbte Blüten von Ranunculus glacialis wärmer waren und mehr Samen produzierten als weiß gefärbte Blüten der gleichen Art (Ida & Totland, 2014). Allerdings gibt es auch Studien, bei denen die Farbe der Blüte keinen Einfluss auf die Blütentemperatur hat (Van der Kooi, 2019). Um den Zusammenhang zwischen Blütenfarbe, Temperatur und Fortpflanzungsfähigkeit besser zu verstehen, sind weitere Studien notwendig.

Öffnen und Schließen

Das Öffnen und Schließen von Blüten durch die Bewegung der Blütenblätter ist im gesamten Pflanzenreich verbreitet. Vor allem schalen- oder scheibenförmig blühende Arten schützen sich so vor äußeren Faktoren wieLicht, Feuchtigkeit oder Temperatur.  Das Öffnen und Schließen kann je nach Art mehrere Minuten oder Stunden dauern. Es wird angenommen, dass das Schließen der Blüte den Pollen vor Niederschlag (Ausspülen, Beschädigung) oder Austrocknung schützt, was dessen Lebensfähigkeit erhöht. Es gibt verschiedene Experimente, die den Einfluss des Blütenschlusses auf die Temperatur im Blüteninnerenuntersucht haben: Schließen sich beispielsweise die Hüllblätter von Tulipa iliensis bei kühlen Temperaturen, wird eine konstantere Temperatur innerhalb der Blüte aufrechterhalten (Abdusalam und Tan, 2014).

Behaarung
Wahrscheinlich ist die Behaarung von Blüten für die Aufrechterhaltung der Blütentemperatur wichtig, aber im Gegensatz zur Blattbehaarung wurde das bislang nur wenig untersucht. Pflanzenarten, die in hochgelegenen, kalten Regionen wachsen, bilden mitunter eine dicke Blattbehaarung aus. Dadurch entsteht eine isolierende Grenzschicht zur angrenzenden kalten Luftmasse, die den Wärmeverlust verringert (Meinzer und Goldstein, 1985). Die Behaarung der Blüten kann eine ähnliche isolierende Wirkung haben, wie im Beispiel von Weidenkätzchen: In Alaska wurde untersucht, dass es im Inneren von Weidenkätzchen 15-25 °C warm sein kann bei einer Lufttemperatur von 0 °C. Wurden die wolligen Haare entfernt, sanken die Innentemperaturen im Kätzchen um etwa 60% (Krog, 1955).

Quellen:

  • Herrera CM, Pozo MI. 2010. Nectar yeasts warm the flowers of a winter-blooming plant. Proceedings of the Royal Society of London B 277: 1827–1834.
  • Kevan PG. 1989. Thermoregulation in arctic insects and flowers: adaptation and co-adaptation in behaviour, anatomy, and physiology. Thermal Physiology 1: 747–753.
  • Kevan PG, Nunes-Silva P, Sudarsan R. 2018. Short communication: thermal regimes in hollow stems of herbaceous plants—concepts and models. International Journal of Biometeorology 62: 2057–2062.
  • Kevan PG, Tikhmenev EA, Nunes-Silva P. 2019. Temperatures within flowers and stems: possible roles in plant reproduction in the north. Bulletin of the NorthEastern Science Centre of the Russian Academy of Sciences, Magadan, Russia 1: 38–47.
  • Casper J van der Kooi, Peter G Kevan, Matthew H Koski, The thermal ecology of flowers, Annals of Botany, Volume 124, Issue 3, 16 August 2019, Pages 343–353,
  • Anderson ER, Lovin ME, Richter SJ, Lacey EP. 2013. Multiple Plantago species (Plantaginaceae) modify floral reflectance and color in response to thermal change. American Journal of Botany 100: 2485–2493.
  • Ida TY, Totland Ø. 2014. Heating effect by perianth retention on developing achenes and implications for seed production in the alpine herb Ranunculus glacialis. Alpine Botany 124: 37–47.
  • Abdusalam A, Tan D-Y. 2014. Contribution of temporal floral closure to reproductive success of the spring-flowering Tulipa iliensis. Journal of Systematics and Evolution 52: 186–194.
  • Meinzer F, Goldstein G. 1985. Some consequences of leaf pubescence in the Andean giant rosette plant Espeletia timotensis. Ecology 66: 512–520.
  • Krog J. 1955. Notes on temperature measurements indicative of special organization in arctic and subarctic plants for utilization of radiated heat from the sun. Physiologia Plantarum 8: 836–839.
  • Kevan PG. 1970. High arctic insect-flower relations: the inter-relationships of arthropods and flowers at Lake Hazen, Ellesmere Island, N.W.T., Canada. PhD Thesis, University of Alberta, Canada.

 

Dieser Artikel wurde im Winter 2024 in der Flora-Incognita-App als Story angezeigt. In der Pflanzenbestimmungs-App findest Du jederzeit spannende Informationen zu Pflanzen, Ökologie, Artenkenntnis, sowie Tipps und Tricks zum Pflanzenbestimmen. Schau‘ doch mal rein!

Die Forsythie blüht aber zeitig dieses Jahr!

Es ist richtig, dass sich der Blühzeitpunkt der Forsythie seit den 1950-er Jahren deutlich verfrüht hat, von ehemals April in den März hinein, mitunter sogar schon in den Februar. Wenn jedoch bereits im Dezember und Januar gelb blühende Sträucher in Städten und Gärten beobachtet werden, dann handelt es sich bei diesen oft nicht um die Forsythie (Forsythia × intermedia), sondern um den Winter-Jasmin (Jasminum nudiflorum). Dieser Artikel soll helfen, diese Verwechslung zukünftig zu vermeiden:

Winter-Jasmin

Das Ölbaumbewächs stammt aus China und wurde als Zierpflanze nach Europa gebracht. In Frankreich gilt er bereits als beständig verwildert. Berühren seine hängenden Zweige den Boden, wurzeln sie an – was zu einem wirren, dichten Wuchs des Strauches führt. Winter-Jasmin kann in Deutschland schon ab Ende Dezember blühen und frostige Tage machen der Pflanze wenig aus – sie treibt an ihren grünen, nackten Trieben beständig neue Blüten nach. Daher auch der Artname: nudiflorum bedeutet so viel wie „nacktblütig“. Ein genauer Blick auf die Blüte zeigt, dass bei ihr fünf bis sechs gelbe Kronblätter zu einer tellerförmigen Blütenkrone zusammengewachsen sind. Im Gegensatz zu vielen anderen Jasminen duften seine Blüten nicht.

Forsythie

Gern gepflanzt, blütenreich (aber im Januar noch kahl, wie im Bild ersichtlich) sind Hybriden von Forsythien. Sie bilden aufrechte Sträucher von bis zu 3 m Höhe. Noch in den 1950-er Jahren blühten Forsythien ab April, aber der Blühbeginn verlagert sich durch den Klimawandel immer weiter in den März hinein, vereinzelt schon in den Februar. Ihre Blüten wachsen kelchförmig, mit vier zipfelförmigen, kurz verwachsenen Kronblättern an nackten, braunen Trieben. Neben den aus China, Korea und Japan stammenden, stark züchterisch veränderten Zierpflanzen (Hybriden) gibt es mehrere natürliche Arten, unter anderem eine, die in Europa auf der Balkanhalbinsel beheimatet ist. Sie blüht im April und wird nur selten als Zierpflanze außerhalb von botanischen Sammlungen kultiviert.

Zusammenfassung

Winter-Jasmin blüht ab Weihnachten bis etwa März, dann beginnen auch Forsythien zu blühen. Winter-Jasmin bildet wirre, herabhängende Sträucher, Forsythien wachsen aufrecht. Die Triebe des Winter-Jasmins sind grün, die der Forsythie braun. Die 5-6 Kronblätter des Winter-Jasmins sind rundlich und tellerförmig zusammengewachsen, Forsythien haben 4 kelchförmig zusammengewachsene Kronblätter.

Dieser Artikel wurde im Winter 2023/24 in der Flora-Incognita-App als Story angezeigt. In der App findest Du jederzeit spannende Informationen zu Pflanzen, Ökologie, Artenkenntnis, sowie Tipps und Tricks zum Pflanzenbestimmen. Schau‘ doch mal rein!

Buntes Herbstlaub: Was steckt hinter Farbexplosion und Blätterrascheln?

Magischer Herbst
Grüne, gelbe, rote, braune Blätter in allen Übergangsphasen laden derzeit zu langen Waldspaziergängen ein, sorgen für stimmungsvolle Naturerlebnisse und kreative Inspirationen. Dem Zauber zugrunde liegt allerdings nichts Magisches: Zersetzung und Stofftransport sind für den Wandel verantwortlich. Der Alterungsprozess wird als Seneszenz bezeichnet, der letztliche Laubfall als Abszission. Schauen wir uns beides einmal genauer an:

Seneszenz – das letzte Kapitel Phänologie im Jahr

Genetisch gesteuert und abhängig von der verfügbaren Energie altern Laubblätter im Herbst. Sie nehmen immer weniger CO2 auf und stellen schließlich die Photosynthese ganz ein. Fallen die Blätter zu Boden, ist das über Fernerkundung messbar. Das sogenannte „Browning“, das braune Durchscheinen des Bodens durch den kahlen Baum, markiert das Ende des phänologischen Jahres. Aber warum werfen Laubbäume eigentlich ihre Blätter ab?

Laubabwurf – dreimal genial

Über Laubblätter verdunsten große Mengen Wasser, bei einer Buche beispielsweise etwa 300 bis 600 Liter pro Quadratmeter Blattfläche im Jahr. Die Wurzeln saugen das benötigte Wasser aus dem Boden– was im gefrorenen Zustand nicht mehr möglich ist. Der Baum würde vertrocknen. Durch das Abwerfen der Blätter wird dieser Wasserfluss gestoppt und der Baum kommt unbeschadet durch den Winter. Aber es gibt noch zwei weitere wichtige Vorteile, die der Laubfall mit sich bringt: Die in den Blättern angesammelten und gespeicherten Umweltgifte werden entsorgt und kahle Bäume halten der Schneelast besser stand.

Die Chemie der Herbstfarben

Die bunten Farben des Herbstwaldes sind das ganze Jahr über in den Blättern vorhanden, aber vom grünen Chlorophyll maskiert! Werden nun in den Zellen die Chloroplasten, die Speicherorte des Chlorophylls, zu Gerontoplasten umgewandelt, wird das Chlorophyll abgebaut. Dadurch werden die anderen Farbstoffe sichtbar. Carotinoide zeigen sich gelb-orange, und Anthocyane bringen rote Töne zum Vorschein – übrigens als Stressreaktion auf zu viel Sonnenlicht. Die roten Farbstoffe dienen als Schutzschild gegen intensive Sonnenstrahlung und sorgen dafür, dass der Abbau des Chlorophylls aus den sterbenden Blättern auch an kalten, sonnigen Herbsttagen stattfinden kann.

Wie funktioniert der Laubfall?

Wann genau ein Blatt schließlich vom Zweig fällt, ist von verschiedenen Dingen abhängig. Einerseits gibt es eine genetische Komponente für jede Art, aber auch Standortmerkmale wie Höhe, Temperatur, Tageslänge und Wind spielen eine Rolle. Durch die sinkende Verfügbarkeit von Licht und Wärme werden Phytohormone aktiviert, und am Ende des Blattstiels kommt es zu einem anatomischen Veränderungsprozess: Ein bildet sich ein Trenngewebe, in dem sich die Mittellamellen, Zellwände oder ganze Zellen auflösen. Das Eigengewicht reicht schließlich, damit das Blatt zu Boden fällt.

 

Dieser Artikel wurde im Herbst 2023 in der Flora-Incognita-App als Story angezeigt. In der App findest Du jederzeit spannende Informationen zu Pflanzen, Ökologie, Artenkenntnis, sowie Tipps und Tricks zum Pflanzenbestimmen. Schau‘ doch mal rein!